Gesetzesänderung: Kündigungsschutz ist ein Flop

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Vor fünf Jahren wurde der Kündigungsschutz für Menschen mit besonderen Bedürfnissen gelockert. Doch der Erfolg blieb aus. Nun wird das Gesetz wieder geändert.

Wien. Gregor Demblin ist vom fünften Halswirbel abwärts gelähmt. Der Rollstuhl ist für den 38-jährigen Vater von Zwillingen zum Markenzeichen geworden. Demblin setzt sich dafür ein, dass Menschen mit besonderen Bedürfnissen auf dem Arbeitsmarkt eine Chance haben. Denn in Österreich zahlen viele Firmen lieber eine Ausgleichstaxe, statt die gesetzlich vorgeschriebene Behindertenquote zu erfüllen.

Demblin ist Initiator von Career Moves, der ersten inklusiven Jobplattform Österreichs. Am gestrigen Mittwoch wurden dort 725 Stellen in 54 Unternehmen angeboten. Demblin hat auch Firmen wie die Bank Austria und Rewe beraten.

In Österreich gibt es für Menschen mit besonderen Bedürfnissen nicht nur eine Quotenregelung, sondern auch einen Kündigungsschutz. „Ich halte den Kündigungsschutz für problematisch“, sagt Demblin zur „Presse“. Denn viele Personalverantwortliche glauben, wenn sie Menschen mit Behinderungen einstellen, dann werden sie diese nicht mehr los. Demblin hält es für wichtig, dass Menschen mit besonderen Bedürfnissen wie andere Beschäftigte behandelt werden. „Wir sind nicht behindert, sondern wir werden behindert“, sagt er. Demblin ist ein Verfechter der Marktwirtschaft. Er rechnet den Firmen vor, wie sie davon profitieren können, wenn sie mehr für Behinderte tun.

Auch der Behindertenanwalt des Sozialministeriums, Erwin Buchinger (SPÖ), zeigt sich über die Streichung des Kündigungsschutzes gesprächsbereit. Buchinger sagte am Mittwoch bei der Präsentation einer Studie über Arbeit für Menschen mit Behinderung: „Ich hätte keine großen Vorbehalte, den Kündigungsschutz gänzlich aufzuheben.“ Im Gegenzug verlangt Buchinger ein wirksames Gesamtpaket für Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

Tatsache ist, dass der Kündigungsschutz erst im Jahr 2011 nach langen Diskussionen gelockert wurde. Sind begünstigte Behinderte länger als vier Jahre in einer Firma beschäftigt, dürfen sie nur mit Zustimmung des Behindertenausschusses gekündigt werden. Der Ausschuss sitzt bei der jeweiligen Landesstelle des Sozialministeriumservice. Firmenvertreter berichten, dass die Verfahren vor dem Ausschuss teilweise lange dauern. Sie wollen sich ein solches Prozedere nicht antun und sind daher bei der Einstellung von Behinderten zurückhaltend. Oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen werden nach dreieinhalb Jahren gekündigt. Vor 2011 war die Rechtslage noch restriktiver. Damals galt der Kündigungsschutz schon nach sechs Monaten.

Negative Zwischenbilanz

Eine Zwischenbilanz nach fünf Jahren zeigt, dass die Betroffenen von der Gesetzesänderung nicht profitiert haben. So steigt die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen stärker als von Menschen ohne gesundheitliche Vermittlungseinschränkungen. Hatte 2007 einer von sieben Arbeitslosen (14,12 Prozent) eine gesundheitliche Beeinträchtigung, so war es im Vorjahr schon fast jeder fünfte Arbeitslose (18,81 Prozent), wie Daten des Arbeitsmarktservice zeigen.

„Der bisherige Ansatz ist gescheitert“, so Buchinger. Der besondere Kündigungsschutz gilt für Personen, die einen Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent haben. Der Grad wird durch Bescheid des Sozialministeriumsservice festgestellt. In Österreich gibt es rund 650.000 Menschen mit einer Behinderung von mindestens 50 Prozent. Davon haben nur 95.000 um den entsprechenden Bescheid angesucht.

Auch die Wirtschaftskammer spricht sich klar für die Abschaffung des Kündigungsschutzes aus. Im Büro des Sozialministeriums hieß es am Mittwoch, dass es noch heuer eine umfassende Änderung des Behinderteneinstellungsgesetzes geben wird.

AUF EINEN BLICK

Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen steigt stärker als von Menschen ohne gesundheitliche Vermittlungseinschränkungen. Das zeigen Daten des Arbeitsmarktservice. Dabei wurde erst 2011 der Kündigungsschutz für Behinderte gelockert. Doch das Gesetz erwies sich als Flop. Auch Erwin Buchinger, Behindertenanwalt des Sozialministeriums, kann sich eine Abschaffung des Kündigungsschutzes vorstellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2016)

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