Von Anwälten kann man mehr erwarten

Eigene Verträge zu lesen ist nicht zu viel verlangt.

Eine Bank klagte einen Rechtsanwalt auf noch offene Kreditforderungen. Dieser war aber nicht bereit, sie zu zahlen. Er wendet ein, die Bank sei beim Abschluss ihrer Aufklärungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) war anderer Meinung (3 Ob 187/15v): Grundsätzlich hat jede Bank vor Kreditvergabe den Kunden in verständlicher Art über Risken aufzuklären. Wie intensiv sie das zu tun hat, hängt vom Einzelfall ab. Wenn für die Bank erkennbar ist, dass der Kunde Beratung braucht, muss sie ihrer Aufgabe noch gewissenhafter nachkommen, als wenn ihr Gegenüber ein Anwalt ist. Von ihm kann man höhere Professionalität erwarten, so der OGH.

Es entspreche etwa „demwirtschaftlichen Grundverständnis, das einem Juristen im Allgemeinen und einem Rechtsanwalt im Besonderen auch zuzumessen ist“, dass sich aus der Kombination eines Kredits und eines Tilgungsträgers die bei beiden Finanzprodukten jeweils vorhandenen Risken kombinieren und damit auch erhöhen können.

Genauso kann der Rechtsanwalt der Bank keinen Strick daraus drehen, wenn sie mit ihm über das Währungsrisiko des Schweizer-Franken-Kredits gesprochen hat, nicht aber über das Zinsänderungsrisiko. Ihre Aufklärungspflichten verletzt sie damit jedenfalls nicht. Der variable Zinssatz ergab sich nämlich auch aus den schriftlich festgehaltenen Kreditkonditionen. Von einem Anwalt kann man schon erwarten, dass er den Vertrag liest, bevor er ihn unterzeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2016)

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