Wiener Zeitung: Eine Besetzung voll offener Fragen

Bei der „Wiener Zeitung“ weiß man noch nichts von einer Klage (Archivbild).
Bei der „Wiener Zeitung“ weiß man noch nichts von einer Klage (Archivbild).(c) FABRY Clemens
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Rechtsstreit. Karl Schiessl, einst Geschäftsführer der „Wiener Zeitung“, klagt seinen Ex-Arbeitgeber auf 580.000 Euro. Ein Bericht der Gleichbehandlungskommission gibt ihm kräftigen Rückenwind.

Wien. Die „Wiener Zeitung“ („WZ“) sorgt derzeit für Schlagzeilen, allerdings anders als ihr lieb ist. Das Unternehmen, das zu 100 Prozent der Republik gehört, wurde vergangene Woche von ihrem ehemaligen Geschäftsführer Karl Schiessl auf 580.000 Euro Schadenersatz geklagt. Und laut Schiessls Anwalt könnten es noch mehr werden.

Der Grund? Als 2013 sein Vertrag auslief, wurde dieser nicht noch einmal verlängert. Vielmehr folgte Schiessl der frühere Grazer SPÖ-Stadtrat Wolfgang Riedler nach. Diese Personalentscheidung könnte der „WZ“ nun teuer kommen. Jedenfalls, wenn es nach Schiessl geht. Nachdem eine außergerichtliche Entscheidung gescheitert ist, wird die Sache vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien ausgetragen. Vergangene Woche hat Schiessls Anwalt Maximilian Zirm (Kanzlei Gabler Gibel & Ortner) gegen dessen ehemaligen Arbeitgeber eine Klage (sie liegt der „Presse“ vor) auf insgesamt 579.933 Euro Schadenersatz eingebracht und rechnet sich gute Chancen auf Erfolg aus. Er stützt seine Ansprüche v. a. auf zwei Rechtsgrundlagen, das Gleichbehandlungsgesetz und das Stellenbesetzungsgesetz.

Zur Vorgeschichte: Seit 1998 war Schiessl Geschäftsführer der „Wiener Zeitung“. Da Ende Juni 2013 sein dritter Fünfjahresvertrag auslief, schrieb das Unternehmen seine Stelle aus. So sieht es das Stellenbesetzungsgesetz vor.

War die Kommission SPÖ-nahe?

Ebenso wurde eine Kommission für das Auswahlverfahren eingesetzt. Ihr gehörten die beiden zuständigen Sektionschefs des Bundeskanzleramts, Manfred Matzka und Wolfgang Trimmel, die Aufsichtsratsmitglieder der „WZ“, Astrid Zimmermann und Francesco Campagner, sowie zwei externe Beraterinnen von Deloitte Consulting an, darunter Gundi Wentner. Bei dem entscheidenden Hearing durften sich sechs Kandidaten präsentieren. Zu ihnen gehörten Schiessl und Wolfgang Riedler. Das Rennen machte Letztgenannter, denn er sei – so befand die Kommission einstimmig – am besten für den Job geeignet.

Und damit begann der Streit. Denn Schiessl war der Auffassung, dass Riedler die in der Ausschreibung vorgesehenen Qualifikationen im Unterschied zu ihm nicht erfülle. Er vermutete, vielmehr seien parteipolitische Motive für die Entscheidung maßgeblich gewesen. Bundeskanzler Faymann, dem Schiessl seine Einwände postwendend mitteilte, reagierte auf sein Schreiben nicht. Schiessl wandte sich an die Gleichbehandlungskommission (GBK). Diese benötigte zwei Jahre, bis 21. April 2015, um ihren Bericht (er liegt der „Presse“ vor) zu erstellen und fast ein weiters Jahr, um ihn auszufertigen.

Inhaltlich allerdings bestätigte der zweite Senat der GBK unter dem Vorsitz von Elie Rosen Schiessls schlimmste Befürchtungen. An Deutlichkeit lässt er es dabei nicht fehlen: „Der Senat hat insgesamt den Eindruck gewonnen, dass der Antragssteller von vornherein nicht mit einem objektiven, unparteiischen und sachorientierten Hearing rechnen durfte, sondern dass für das Auswahlverfahren vielmehr parteipolitische Motive, die im Ergebnis die Schlechterstellung des ÖVP-nahen Antragstellers gegenüber dem SPÖ-nahen Kandidaten Riedler zu Folge hatten, maßgeblich ausschlaggebend waren und das Hearing primär der Legitimation des Kandidaten Riedler gedient hat“, heißt es da. Auch stößt sich der zweite Senat an der Zusammensetzung der Auswahlkommission, „die ausschließlich aus SPÖ-nahen Personen bestand“. Nicht nachvollziehen kann sie ferner, weshalb Riedler „trotz des Fehlens des formalen Ausschreibungserfordernisses ,Erfahrung in der wirtschaftlichen Leitung eines Mediums‘ von der Kommission überhaupt zum Hearing zugelassen worden ist“. Eine nachvollziehbare Begründung hätte der GBK auch im Nachhinein nicht geliefert werden können. Riedler hätte demnach zum Hearing gar nicht geladen werden dürfen.

Kritisch sieht die GBK auch die Einbeziehung der externen Beraterinnen von Deloitte Consulting: Man könne sich im vorliegenden Fall mangels eines objektivierbaren Auswahlprozesses nicht des Eindrucks erwehren, dass Deloitte nur beigezogen worden sei, um das Auswahlverfahren nach außen zu objektivieren, heißt es sinngemäß. Dagegen verwehrt sich Deloitte-Partnerin Wentner vehement. „Das Hearing ist völlig korrekt und ordnungsgemäß abgelaufen und genau dokumentiert “, betont sie. Deloitte habe das besagte Hearing moderiert und die Kandidaten beurteilt, die Entscheidung aber nicht gefällt.

Ein Jahr ohne Job

Die GBK ist ganz anderer Meinung und kommt zu folgendem Fazit: „Es ist davon auszugehen, dass die Weltanschauung des Antragstellers – in Form seiner Zuordenbarkeit zur ÖVP – tatsächlich ausschlaggebendes Motiv für die – dem Senat sachlich nicht nachvollziehbare – Schlechterstellung gegenüber dem Kandidaten Riedler [. . .] gewesen ist.“ Ihr Vorschlag an die „Wiener Zeitung“ lautet folglich, dem Antragsteller einen angemessenen Schadenersatz zu bezahlen.

Doch welcher Schaden ist Schiessl, der seit Ende April im Pressereferat des ÖVP-Parlamentsklubs tätig ist, entstanden? Schiessl hatte, nachdem sein Vertrag nicht verlängert worden war, fast ein Jahr keine Arbeit. Erst Ende April 2014 wurde er Leiter der Pressestelle des Parlamentsklubs. Dort verdient er allerdings nicht so viel wie als Geschäftsführer der „Wiener Zeitung“. „Allein bis jetzt beträgt der bezifferbare Schaden beziehungsweise der Verdienstentgang meines Mandanten über 400.000 Euro“, sagt Zirm. Doch es wird noch mehr. Wäre Schiessls Vertrag nämlich bis Juni 2018 verlängert worden, würde er auch in Zukunft mehr verdienen, als er das jetzt tut: „Der bis 2018 berechnete Gesamtschaden beläuft sich – seine Beschäftigung beim ÖVP-Parlamentsklub vorausgesetzt – auf 580.000 Euro“, so Zirm.

Und was sagt der Anwalt der „WZ“, Karl Liebenwein, zur Klage? „Wir wissen nichts von einer Klage, daher kann ich dazu nichts sagen.“ Gegen das Vorgehen der GBK hat er jedoch Einwände: „Wir sehen viele Verfahrensmängel. Es gibt eine Empfehlung, doch es fehlt an jeder Beweiswürdigung.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2016)

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