Welche Aufsichtsräte Unternehmen guttun

Berlin Brandenburg Airport construction project update
Berlin Brandenburg Airport construction project updatePatrick Pleul / dpa / picturedesk.com
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Wie wirkt sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats auf den Unternehmenserfolg aus? Politiker statt Experten sind die falsche Wahl, wie der neue Flughafen Berlin zeigt.

Wien. Wenn ein Projekt kein Erfolg ist, dann ist es der Bau des neuen Flughafens in Berlin Brandenburg (FBB). Nachdem er eigentlich schon 2011 und dann – nach einer Verschiebung – 2013 in Betrieb hätte gehen sollen, scheint es nun fraglich, ob dort, wie derzeit geplant, überhaupt im Jahr 2017 erste Flugzeuge landen können. Dass die Verantwortlichen noch vor wenigen Tagen die Probleme auf der Großbaustelle als „überschaubar und beherrschbar“ bezeichneten, beruhigte da auch niemanden so richtig. Doch wie konnte es überhaupt zu dem „Kontrollchaos“ – wie es der Landesrechnungshof Brandenburg in seinem aktuellen Bericht bezeichnete – kommen? Was hat der Aufsichtsrat eigentlich all die Jahre getan?

Um darauf Antworten zu finden, lohne sich ein Blick auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, sagte Thomas Mellewigt, Universitätsprofessor für Strategisches Management an der Freien Universität Berlin kürzlich bei einem Vortrag auf der WU Wien. Dabei beschäftigte er sich unter anderem mit der Frage, ob und wie sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats auf den Unternehmenserfolg auswirkt.

Niemand hat etwas gemerkt

Im Fall des FBB finden sich nahezu nur Politiker des Landes Berlin, Brandenburg und des Bunds im Kontrollgremium. Experten sucht man hingegen wie die Nadel im Heuhaufen. „Dass bei einem Großprojekt wie diesem auch Politiker im Aufsichtsrat sitzen, ist klar. Dass jedoch nur Politiker zu finden sind, ist nicht besonders klug“, sagt Mellewigt. Fachleute im Aufsichtsrat zu haben, die schon an einem Flughafenbau mitgewirkt haben, hätte nicht geschadet. „Wie man so verantwortungs- und ahnungslos mit fast null Kompetenz in so ein Projekt hineingehen kann, ist schon bemerkenswert. Irgendjemandem hätte doch auffallen müssen, dass der Flughafen kurz vor der geplanten Inbetriebnahme erst zu 56 Prozent fertiggestellt war. Unter anderem waren nur 26 von 100 Flugsteigen betriebsbereit. Ein Tiefpunkt der Aufsichtsratstätigkeit“, so der Universitätsprofessor.

Dass sich ein Überhang von Politikern in Aufsichtsräten nicht günstig für das Unternehmen auswirkt, liegt auf der Hand. Doch bringt es der Gesellschaft Vorteile, wenn sie einen Vorstandsvorsitzenden eines anderen Unternehmens in ihr Kontrollorgan holt?

„Dazu gibt es gemischte empirische Evidenz“, sagt Mellewigt. Während eine Studie aus dem Jahr 2005 von Eliezer Fich einen positiven Effekt nur dann feststellen konnte, wenn der CEO von einem erfolgreichen Unternehmen kommt, kann eine Studie aus dem Jahr 2008 von Rüdiger Fahlenbrach keinerlei positive Auswirkungen festmachen. „Als nicht gut erweisen sich Überkreuztätigkeiten. Ist also ein Vorstandsmitglied gleichzeitig in einem anderen Unternehmen als Aufsichtsrat tätig, führt das zu einem niedrigen Unternehmenserfolg.“

Womit Mellewigt gleich zur nächsten Frage kommt: Was tragen „busy directors“, also Leute, die in mehr als drei Aufsichtsräten sitzen, zur guten Entwicklung bei? „Dieser Umstand wirkt sich eher negativ aus. Aktienkurse fallen in der Regel, wenn der ,busy director‘ in den Aufsichtsrat eintritt, und sie steigen, wenn er ihn wieder verlässt“, so der Experte. Anders verhält es sich, wenn Banker in einem Kontrollgremium etwas zu sagen haben. Unternehmen mit Finanzproblemen holen sie sich am häufigsten an Bord, denn ihre Tätigkeit führt nach einer Untersuchung von Byrd & Mizruchi zu einem niedrigeren Verschuldensgrad des Unternehmens und zu einem verbesserten Zugang zum Kapitalmarkt. Wenig Literatur gibt es über die Rolle von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat, „denn das interessiert die Amerikaner nicht so sehr“, sagt Mellewigt. Jenen, die finden, Arbeitnehmer hätten im Aufsichtsrat nichts zu suchen, hält er jedoch entgegen: „Es gibt keinen Beweis, dass ihre Präsenz zu negativen Effekten führt.“

„Frauen sind ethisch sensitiver

Untersuchungen, die sich mit dem Thema Frauen in Aufsichtsräten befassen, gibt es hingegen viele. Eine aus 2015 von Douglas Cumming belegt: Frauen im Aufsichtsrat reduzieren das unternehmerische Fehlverhalten. Weshalb? Dafür gebe es drei Gründe, sagt Mellewigt: „Frauen sind ethisch sensitiver, sie neigen weniger zur Selbstüberschätzung als Männer und sind risikoaverser. “

AUF EINEN BLICK

Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats wirkt sich auf den Unternehmenserfolg aus, das belegen zahlreiche Studien. Finden sich im Kontrollgremium viele Politiker und kaum Experten, ist das schlecht. Das zeigt das Beispiel des neuen Flughafens Berlin Brandenburg, dessen Aufsichtsrat nahezu zur Gänze aus Politikern besteht. Frauen im Aufsichtsrat haben einen positiven Effekt. Unter ihrer Kontrolle verringert sich das unternehmerische Fehlverhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2016)

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