Ein Chef darf nicht High Heels verordnen

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BusinesslookClemens Fabry
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Von eleganten Schuhen bis Krawattenpflicht: Was Arbeitgeber ihren Mitarbeitern vorschreiben dürfen. Wo Diskriminierung beginnt. Und wo Persönlichkeitsrechte Grenzen haben.

Wien. Entwarnung im britischen Stöckelschuhstreit: Mitarbeiterinnen dürfen jetzt auch flache Schuhe tragen, verkündete Simon Pratt, Chef der Zeitarbeitsfirma Portico. Er reagierte damit auf eine Welle der Empörung in sozialen Netzwerken, ausgelöst durch den Rausschmiss von Nicola Thorp.

Thorp sollte als Empfangsdame bei PwC beginnen, weigerte sich aber, im Dienst fünf bis zehn Zentimeter hohe Absätze zu tragen. Männern sei ja ebenfalls flaches Schuhwerk erlaubt, argumentierte sie. Man habe sie ausgelacht und ohne Bezahlung heimgeschickt, erzählte sie dem Sender BBC.

Die von Thorp gestartete Petition ans britische Parlament haben 120.000 Menschen unterschrieben, ab 100.000 Unterschriften muss eine Debatte im Unterhaus stattfinden. Die Parlamentarier werden sich also – trotz des Einlenkens von Portico – damit befassen müssen.

„Gleiches Maß an Eleganz“

Die derzeitige britische Rechtslage erlaubt Arbeitgebern unterschiedliche Vorgaben für Frauen und Männer, sofern „ein gleiches Maß an Eleganz“ gefordert wird. Britische Juristen hatten gemeint, der High-Heels-Zwang sei dadurch gedeckt.

Aber wie wäre das in Österreich? „Die Presse“ fragte Arbeitsrechtsexpertin Judith Morgenstern, Partnerin bei Mosati Rechtsanwälte. Sie sagt, hierzulande wäre Thorp klar im Recht: Elegante Schuhe kann ein Arbeitgeber zwar vorschreiben, wenn es das Berufsbild verlangt. „Aber sie dürfen natürlich auch flach sein.“ Definitiv muss niemand den ganzen Tag in Schuhen herumlaufen, von denen Orthopäden abraten würden.

Im Zuge der Diskussion auf Facebook und Twitter kam aber auch anderes aufs Tapet: etwa die Pflicht zu Sakko und Krawatte selbst bei hochsommerlichen Temperaturen. Da seien dann Männer benachteiligt, beklagten sich einige – denn bei Mitarbeiterinnen würden luftige Sommerkleider akzeptiert.

Wer damit hadert, tut das zu Recht: Wenn ein Arbeitgeber so differenziert, könnte das, jedenfalls in Österreich, tatsächlich das Diskriminierungsverbot verletzen. Verlangt ein Unternehmen strikt und ausnahmslos Business-Look, muss das für Männer wie Frauen gelten. Der Blazer ist dann das Pendant zum Sakko, auch im Sommer. „Und ärmellos geht gar nicht“, sagt Morgenstern. Unbestrumpfte Damenbeine auch nicht, es sei denn, sie stecken in einer langen Hose. Wird Mitarbeiterinnen sommerliche Kleidung erlaubt, darf der Chef auch bei den männlichen Kollegen nicht auf der vollen Montur bestehen, wenn Tropenhitze herrscht.

Überhaupt muss es für strikte Bekleidungsregeln einen guten Grund geben: das Ansehen des Berufs, ein einheitliches Erscheinungsbild des Unternehmens, Sicherheitsaspekte. Denn zu den Persönlichkeitsrechten jedes Menschen gehört es an sich, sich zu kleiden, wie man mag. Und diese Rechte gelten ebenso am Arbeitsplatz, wenn auch mit Einschränkungen.

Viel Freiheit im Backoffice

Es kommt daher zudem darauf an, welchen Job ein Mitarbeiter hat: Repräsentiert er das Unternehmen, hat er Kundenkontakt, wie stark wird er öffentlich wahrgenommen? „Wer im Backoffice sitzt, hat relativ große Freiheit“, sagt Morgenstern. Im Kundendienst kann dagegen ein nachvollziehbares Interesse des Arbeitgebers bestehen, ein bestimmtes Erscheinungsbild zu wahren.

Die Grenzen sind freilich fließend und unterliegen einem zeitlichen Wandel, wie der OGH erst vergangenen Herbst in einer Entscheidung festgehalten hat (9 ObA 82/15x). Da ging es um einen Busfahrer der Linzer Linien, der zwar Dienstuniform, aber auch ein rosa Haarband trug. Auf die Aufforderung, es abzulegen, reagierte er kurz und bündig: „Sicher net.“ Auch er verlor seinen Job – zu Unrecht, wie der OGH entschied: Ein solcher Eingriff in Persönlichkeitsrechte „braucht sehr gute Gründe, um gerechtfertigt zu sein“, so das Höchstgericht. Der Arbeitgeber muss darlegen können, „inwiefern Kunden an der Professionalität und Seriosität des Arbeitnehmers zweifeln sollten“. Oder dass die Sicherheit durch dezentere Kleidung relevant gesteigert würde.

Laut OGH kommt es da auf den Einzelfall an, allgemein gültige Aussagen sind kaum möglich. Vor ein paar Jahren gab das Höchstgericht in einem ähnlichen Fall dem Arbeitgeber recht: Da ging es um eine sichtbar getragene, dicke goldene Halskette eines Bankmitarbeiters. Laut OGH wich das massiv von der Vorstellung ab, die die Bevölkerung vom Erscheinungsbild eines Bankangestellten hat (8 ObA 195/98d).

LEXIKON

Persönlichkeitsrechte. Der Persönlichkeitsschutz ist einerseits in der Menschenrechtskonvention verankert (Artikel 8, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), andererseits im ABGB. „Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die
Vernunft einleuchtende Rechte“, heißt es in § 16. Laut OGH leitet sich daraus ein Recht auf Privatsphäre ab, zu dem es grundsätzlich auch gehört,
„seine Kleidung und seinen Schmuck frei zu wählen“. Der Arbeitgeber dürfe das nur mit sehr guten Gründen einschränken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2016)

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