Wohnungseigentum mit Tücken

Der Wohnungseigentumsorganisator muss dem Käufer ein Gutachten über den Zustand des Hauses vorlegen.
Der Wohnungseigentumsorganisator muss dem Käufer ein Gutachten über den Zustand des Hauses vorlegen.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Ehepaar kaufte in einem Altbau Wohnungseigentum. Dass zur Erhaltung des Hauses über 550.000 Euro notwendig waren, wussten sie nicht. Nun befasste sich der OGH mit dem Fall.

Wien. Ein Ehepaar entschloss sich 2009, eine Wohnung in einem Altbau auf der Währinger Straße zu kaufen. Der Verkäufer der Wohnung war bis 1984 Alleineigentümer der Liegenschaft gewesen, dann hatte er dort Wohnungseigentum begründet und sich selbst bei fast allen Einheiten zum Wohnungseigentümer gemacht.

Mit der Zeit begann er, wenn er Geld benötigte oder Interessenten auftauchten, sukzessive die einzelnen Wohnungen bis zum Jahr 2011 abzuverkaufen. Eine Eigentümerversammlung im Frühjahr 2013 verlief für die neuen Eigentümer dann denkbar unerfreulich. Es stellte sich heraus, dass im Haus zahlreiche Erhaltungsarbeiten in der Höhe von etwa 555.000 Euro durchzuführen wären. Das nahm das Ehepaar nicht hin. Sie klagten den Verkäufer auf 31.000 Euro, also jenen Betrag, den sie zu den notwendigen Erhaltungsarbeiten beisteuern sollten.

Sie argumentierten damit, dass der Verkäufer verabsäumt hätte, ihnen anlässlich des Wohnungskaufs ein Gutachten über den Zustand des Hauses vorzulegen. Diese Verpflichtung hätte er als Wohnungseigentumsorganisator (siehe Lexikon) nach § 37 des Wohnungseigentümergesetzes (WEG) aber gehabt. Wird die Vorlage eines solchen Gutachtens verabsäumt, sieht das Gesetz vor, dass ein Erhaltungszustand des Hauses als vereinbart gilt, der in den nächsten zehn Jahren keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordert. Diese sogenannten Erwerberschutzbestimmungen können vertraglich nicht ausgeschlossen werden.

Der Schutz des Erwerbers zählt

Die rechtliche Argumentation des Ehepaars war durchaus umstritten, denn der Wortlaut dieser Schutzbestimmungen legt nahe, dass diese nur auf einen Wohnungskauf im Rahmen der erstmaligen Wohnungseigentumsbegründung anzuwenden sind. Genau diese Variante hätte auf das Ehepaar nicht zugetroffen. Denn als sie 2009 ihre Bleibe erwarben, bestand Wohnungseigentum schon längst. Der Verkäufer hatte es ja schon über 20 Jahre zuvor für sich selbst begründet. Nie und nimmer, so sein Standpunkt, könnten die Käufer in den Genuss der Erwerberschutzbestimmungen des WEG kommen.

Der Anwalt der Käufer, David Stockhammer (Kanzlei Gabler, Gibel & Ortner), sah das anders: „Eine derartige Sichtweise würde den Sinn und Zweck der Erwerberschutzbestimmungen des WEG gänzlich außer Acht lassen“, sagt der Jurist. „Das Gesetz war schon in seiner Urfassung bestrebt, dem Ungleichgewicht zwischen den potenziellen Käufern und dem verkaufenden Wohnungseigentumsorganisator entgegenzusteuern; der wirtschaftliche, organisatorische und wissensmäßige Vorteil des Wohnungseigentumsorganisators soll durch bestimmte unverzichtbare Rechte des Käufers ausgeglichen werden. Dieser umfassende Schutzgedanke erfordert es, dass auch Wohnungskäufe nach der erstmaligen Begründung von den Erwerberschutznormen umfasst sind.“

Den Obersten Gerichtshof (OGH) hat diese Rechtsansicht überzeugt, wie die aktuelle Entscheidung (6 Ob 56/16b) zeigt. Das WEG sei dahingehend auszulegen, dass nicht bloß der Wohnungseigentümer im Zuge der Begründung des Wohnungseigentums, sondern auch die nachfolgenden Käufer vom bereits begründeten Wohnungseigentum geschützt werden sollen, solange der Erwerb vom Wohnungseigentumsorganisator erfolgt.

Eine Frage blieb offen

Eine Frage stellt sich nach dieser Entscheidung für alle Wohnungseigentumsorganisatoren und -bewerber nun umso mehr: Wie lang nämlich soll die Erwerberschutzbestimmung nach der Wohnungseigentumsbegründung weiter gelten? 30, 50 Jahre oder gar ewig? Im konkreten Fall lagen immerhin 20 Jahre zwischen der Parifizierung des Altbaus und dem Kaufvertragsabschluss mit dem Ehepaar. Stockhammer: „Sinnvollerweise sollte darauf abgestellt werden, ob der Wohnungseigentumsorganisator noch Mehrheitseigentümer der Liegenschaft ist. So lang hat er nämlich gegenüber dem Käufer Vorteile, und es besteht das gesetzlich verpönte Ungleichgewicht.“ Der OGH sagte dazu nichts, sondern ließ die Frage offen.

LEXIKON

Im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ist unter anderem geregelt, was unter folgenden Begriffen zu verstehen ist:

Wohnungseigentumsorganisator

ist der jeweilige Liegenschaftseigentümer oder derjenige, der das Gebäude auf einer Liegenschaft errichtet oder für die Errichtung und die Begründung von Wohnungseigentum verantwortlich ist. Das können bei einem Bauvorhaben durchaus auch mehrere Personen sein. Ihn treffen nach dem WEG zahlreiche Pflichten gegenüber dem

Wohnungseigentumsbewerber.

Er ist derjenige, dem schriftlich von einem Wohnungseigentumsorganisator die Einräumung von Wohnungseigentum auf ein bestimmt bezeichnetes Liegenschaftsobjekt zugesagt worden ist. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist er schutzbedürftig, weil er ohne die notwendigen Fachkenntnisse vom in der Regel kundigen und besser informierten Wohnungseigentumsorganisator eine Wohnung kauft.

Wohnungseigentum ist eine Sonderform des Miteigentums an einer Liegenschaft. Es gibt dem Wohnungseigentümer das Recht, das ihm zugeordnete Wohnungseigentumsobjekt allein nach Belieben zu nutzen – ebenso die allgemeinen Teile wie das Stiegenhaus oder den Hof.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2016)

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