Panama-Papers in Strafprozessen nicht verwertbar

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Eine Auswertung umginge das Aussageverweigerungsrecht - eine These.

Wien. Die Veröffentlichung der Rohdaten der Panama-Papers, der geleakten Unterlagen aus einer Anwaltskanzlei in Panama, führt zu wilden Spekulationen von Medien und deren Konsumenten über daraus folgende Strafverfahren einerseits und großer Besorgnis unter den Betroffenen – wie Spitzenpolitikern, Sportlern und anderen Prominenten – andererseits. Wie „Die Presse“ bereits vor Tagen berichtete, hat die Internationale Vereinigung der Enthüllungsjournalisten die ihr überlassenen Daten über mehrere tausend Briefkastenfirmen in Panama mittlerweile auf einem der Allgemeinheit zugänglichen Server zum Abruf bereitgestellt.

Es ist zu erwarten, dass sich nicht nur die interessierte Öffentlichkeit, sondern auch die nationalen Ermittlungsbehörden aus diesen Unterlagen Informationen erhoffen, um bislang unentdeckte Straftaten, wie insbesondere Steuerbetrug oder Geldwäsche, ans Licht zu bringen. Doch dürfen die österreichischen Strafverfolgungsbehörden Informationen aus diesen Unterlagen überhaupt verwerten? Diese Frage ist, bei einer eingehenden Betrachtung der Rechtslage, mit einem klaren Nein zu beantworten.

Die Datensätze der Panama-Papers stammen aus einer Anwaltskanzlei und wurden dort, ohne Zustimmung des Rechtsanwalts oder des Betroffenen, abgesaugt; mit anderen Worten gestohlen. Es sind etwa 11,5 Millionen E-Mails, Briefe, Gründungsurkunden, Kreditverträge usw. aus den Jahren 1977 bis 2015, die von einem anonymen Whistleblower zuletzt der „Süddeutschen Zeitung“ zugespielt wurden.

Gegenstand sind also Unterlagen, die Anwaltsgeheimnisse offenbaren, ohne dass der Anwalt diese Geheimnisse preisgeben wollte. Derartige Unterlagen dürfen aber, zum Schutz vor einer Umgehung des Aussageverweigerungsrechts des Anwalts (wie es etwa auch Wirtschaftstreuhändern zukommt), bereits jetzt nicht sichergestellt oder beschlagnahmt, folglich nicht verwertet werden (§ 157 Abs 2 StPO).

Das Aussageverweigerungsrecht des Anwalts soll dem Beschuldigten eine vertrauensvolle und vertrauliche Kontaktaufnahme mit seinem Parteienvertreter ermöglichen. Dabei soll er gerade nicht befürchten müssen, durch die Einbeziehung eines Parteienvertreters ein Beweismittel gegen sich zu schaffen, weil dieser als Zeuge aussagen muss oder aber Aufzeichnungen über sein Gespräch beschlagnahmt werden könnten. Dieses Sicherstellungsverbot gilt nicht nur dann, wenn sich diese Unterlagen nicht (mehr) beim Anwalt selbst oder dem Beschuldigten, sondern auch bei einer dritten Person befinden.

Nicht ausdrücklich erweitert

Daran vermag auch nichts zu ändern, dass in der am 1. November 2016 in Kraft tretenden neuen Formulierung des § 157 Abs 2 StPO die vorerst angedachte ausdrückliche Ausdehnung des Umgehungsverbots auch auf solche Unterlagen, die sich „in der Verfügungsmacht einer anderen Person“ befinden, fallen gelassen wurde. Das Verbot der Sicherstellung von Unterlagen bei Dritten ist vielmehr schon aus der geltenden Rechtslage abzuleiten: Zum einen darf das Aussageverweigerungsrecht nicht dadurch unterlaufen werden, dass eine anwaltliche Hilfskraft, wie etwa ein Kanzleimitarbeiter oder ein zugezogener externer Gutachter, vernommen wird, selbst wenn sich diese der Behörde geradezu aufdrängt. Nur der Anwalt selbst kann auf sein Aussageverweigerungsrecht – und damit das Verwertungsverbot – verzichten. Wenn nun aber Hilfskräfte nicht vernommen werden dürfen, sind auch Unterlagen, die Mitteilungen des Klienten, Gesprächsaufzeichnungen usw. abbilden, aus den Händen williger Hilfskräfte einer rechtmäßigen Sicherstellung entzogen. Dies muss auch für den Fall gelten, dass sich die Hilfskraft zur Preisgabe der geschützten Informationen eines Dritten bedient.

Selbige Ansicht teilen auch die Oberlandesgerichte Linz und Wien in aktuellen Entscheidungen. Demnach kann es für den Sicherstellungsschutz für anwaltliche Unterlagen, die aus beruflichen Gründen an Dritte übergeben werden, keinen Unterschied machen, wo der Anwalt diese Unterlagen aufbewahrt und wer diese für ihn innehat (OLG Linz, 25. 2. 2016, 7 Bs 158/15g, zuvor OLG Wien, 32 Bs 46/14w).

Dringender Tatverdacht?

Nun könnten freilich die Ermittlungsbehörden versuchen, eine Auswertung der Panama-Papers damit zu rechtfertigen, dass der Anwalt selbst verdächtig sei, sich an Straftaten durch die Errichtung dieser Briefkastenfirmen beteiligt zu haben. Das Entschlagungsrecht – und damit auch das Verbot der Sicherstellung von Unterlagen – entfällt, wenn begründeter Verdacht besteht, dass der Anwalt selbst an der Straftat seines Mandanten beteiligt war. Auch dieses Argument geht jedoch fehl. Einerseits müsste es sich um einen dringenden Tatverdacht gegen den Anwalt handeln (§ 144 Abs 3 StPO). Das ist durch den bloßen Umstand, dass er an der Errichtung einer Briefkastenfirma mitgewirkt haben mag, nicht zu begründen. Deren Errichtung ist für sich betrachtet keineswegs verdächtig, sondern kann ganz legale Gründe haben.

Zum anderen wäre zu prüfen, ob der (dringende) Verdacht auch ohne Kenntnis der Unterlagen bzw. der einschlägigen Medienberichte vorgelegen wäre oder erst aus diesen Berichten abgeleitet wird. Dies ist wohl in den allermeisten Fällen anzunehmen, sonst wären die Ermittlungen bereits vor dem Auftauchen erster Medienberichte über die Panama-Papers bereits gelaufen. Für die Inhaber der geleakten Briefkastenfirmen gilt daher aus strafrechtlicher Sicht nach wie vor: „Oh, wie schön ist Panama!“

Dr. Oliver Scherbaum ist Rechtsanwalt in Wien, www.w-b-s.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2016)

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