Urteil aus Graz stellt Crowdinvesting infrage

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Darlehen: Das übliche Nachrangmodell sei gröblich benachteiligend für Verbraucher, entschied ein Gericht.

Wien. Seit knapp zehn Monaten gibt es in Österreich eine Rechtsgrundlage für Schwarmfinanzierung. Das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) hat Regeln aufgestellt, nach denen Unternehmen von privaten Kapitalgebern, auch von Verbrauchern, Geld einsammeln dürfen. Für KMU hat sich damit eine Alternative zum Bankkredit eröffnet. Ein Gerichtsurteil aus Graz stellt das nun aber gehörig infrage – zumindest in der bislang üblichen Form.

In dem Rechtsstreit ging es um die Karma Werte GmbH, ein Unternehmen für erneuerbare Energie und Fotovoltaik, das sich mit Geld aus der Crowd finanziert. Geklagt hat der Verein für Konsumenteninformation (VKI): Er hielt einige Klauseln in den Darlehensbedingungen für gesetzwidrig – jedenfalls, wenn sie gegenüber Verbrauchern verwendet werden. Dabei ging es etwa um eine zu lange Kündigungsfrist für den Darlehensgeber, eine pauschalierte Ersatzleistung, die ihm bei einem vorzeitigen Vertragsausstieg aufgebrummt werden sollte, oder einen Haftungsausschluss für das Unternehmen bei leichter Fahrlässigkeit. All das sah der VKI als Benachteiligung von Konsumenten an, was das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz auch bestätigte.

Keine Beteiligung am Erfolg

Weitaus brisanter ist jedoch ein anderer Punkt, in dem der VKI vor Gericht ebenfalls recht bekam. Dieser betrifft das Konstrukt als qualifiziertes Nachrangdarlehen. Das bedeutet, dass die Geldgeber im Fall einer Insolvenz hinter allen anderen Gläubigern rangieren. Geht das Unternehmen pleite, bekommen die Darlehensgeber womöglich nicht einmal eine Quote. Aber auch sonst dürfen sie ihr Geld nicht zurückverlangen, wenn das Unternehmen dadurch in die Insolvenz schlittern könnte.

Auch das sei für Verbraucher gröblich benachteiligend, entschied das Gericht. Denn eine solche Klausel überwälzt unternehmerisches Risiko auf den Darlehensgeber; am unternehmerischen Erfolg partizipiert er jedoch nicht. Nicht einmal durch unüblich hohe Zinsen lasse sich dieses Ungleichgewicht ausgleichen.

Nun ist aber das Nachrangdarlehen im AltFG ausdrücklich als Finanzierungsform genannt. Mit gutem Grund: Nicht nachrangige Darlehen wären zwar für die Geldgeber günstiger – das Geschäft damit ist aber den Banken vorbehalten. Auch schon vor Inkrafttreten des AltFG blieb faktisch nur das Nachrangdarlehen, wenn sich ein Unternehmen, das zu klein für den Kapitalmarkt war, von Privaten Geld leihen wollte – siehe den Fall des Waldviertler „Schuhrebellen“ Heini Staudinger. Dieser musste auf Drängen der Finanzmarktaufsicht (FMA) seine privat aufgenommenen Darlehen auf die Nachrangvariante umstellen.

Urteil nicht rechtskräftig

Laut AltFG gibt es zwar auch andere Alternativen, von Genussrechten und stillen Beteiligungen bis hin zu Aktien. In der Praxis wählt man der Einfachheit halber trotzdem meist das Nachrangdarlehen. In dem Urteil heißt es nun aber, das wäre nur gerechtfertigt, wenn sich diese Finanzierungsform anders nicht umsetzen ließe. Das treffe jedoch nicht zu: „Ein Modell, bei dem der Darlehensgeber am unternehmerischen Erfolg partizipiert, ist faktisch möglich und wohl auch zulässig.“

Welche Folgen hat das nun? „Bei bestehenden Finanzierungen würde ich Unternehmen raten, nicht in Panik zu verfallen“, sagt Anwalt Rainer Kaspar (Kanzlei PHH). Denn das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Rechtsstreit wird wohl in die nächste Instanz gehen. Für neue Finanzierungen empfiehlt der Jurist jedoch, „zu überlegen, ob nicht ein anderes Instrument besser wäre als das Darlehen“. Oder ob man – wie es das Urteil nahelegt – eine Variante entwickeln kann, die auch Darlehensgeber am Erfolg beteiligt. Fraglich ist freilich, wie so etwas gestaltet werden müsste, damit es rechtlich noch als Darlehen gilt.

Wenn das Urteil hält, betrifft es freilich auch laufende Finanzierungen. „Auf die Emittenten kommen dann hohe Kosten zu“, sagt Kaspar. Sie müssen die Vertragsbedingungen ändern oder, wenn das nicht gelingt, eventuell sogar Darlehen aufkündigen. Wichtig sei dann auch der Dialog mit dem Gesetzgeber: Durchaus möglich, dass nur dieser das Dilemma auflösen kann.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikel lautete die Überschrift: "Urteil aus Graz stellt Crowdfunding infrage". Richtig ist die Überschrift: "Urteil aus Graz stellt Crowdinvesting infrage".

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

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