Das Recht, gefunden zu werden, kann teuer sein

VW klagte die deutsche Domain-Vergabestelle 2008 auf den Zuschlag für vw.de – und gewann.
VW klagte die deutsche Domain-Vergabestelle 2008 auf den Zuschlag für vw.de – und gewann.(c) APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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Markenrecht. Im Dezember kommen knapp 5000 neue Kurzdomains auf den Markt. Im August beginnt das Vergabeverfahren: Markeninhaber haben zwar den Vortritt, wenn sich zwei streiten, kann es aber zum Bieterduell kommen.

Wien. Pünktlich zum nächsten Nikolausfest wird die österreichische Internet-Community um ein paar Domains reicher sein. Möglicherweise aber auch um ein paar markenrechtliche Rangeleien.

Für technisch Unbeleckte: Domain wird der Bestandteil der Internetadresse genannt, der vor der Länderabkürzung steht. Also im Fall Österreichs alles vor dem .at. An den Schalthebeln der Macht bei der Vergabe der Buchstaben- und Zahlenkombinationen sitzt eine selten in Erscheinung tretende Salzburger Registrierungsstelle, die Nic.at. Sie öffnet ab Ende August bundesweit die Schleusen für 5000 neue Kombinationen, genauer für die bis dato verbotenen ein- und zweistelligen Domains. Warum sie bisher nicht erlaubt waren, hat einen banalen Grund: Die Rechner waren mit ihrer Verarbeitung überfordert.

„Wir haben uns aus freien Stücken für die Einführung entschieden“, betont Richard Wein, der Geschäftsführer der Nic.at. Diese Betonung hat ihre Vorgeschichte: Die Nic.at hat wenig Lust, wie ihre deutsche Schwester Denic durch Sonne, Mond und Sterne geklagt zu werden und die sogenannten Kurzdomains anschließend in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einführen zu müssen. Der Autobauer VW – heute eher in der Rolle des Beklagten anzutreffen – hatte die deutsche Registrierungsstelle 2008 darauf geklagt, ihm die Domain vw.de zuzusprechen. Sein Argument: Sonst würde er Wettbewerbsnachteile gegenüber Konkurrenten wie BMW erleiden, da manche Internetnutzer die Suche aufgeben, wenn sie unter vw.de nichts finden. Er bekam recht.

Pech für Glücksritter

Auch wenn VW in Österreich mit einer Klage aufgrund der anders gearteten Sachlage laut den Salzburgern wenig Chancen gehabt hätte, sagte sich die Vergabestelle: Sicher ist sicher. Der Blick ins Ausland soll nicht nur bei der geordneten Einführung helfen. Auch markenrechtlichen Glücksrittern, die etwa in Irland, Norwegen oder Luxemburg für wenig Geld Tausende Marken anmeldeten und teuer weiterverkauften, wurde vorab der Boden entzogen. Der Trick: Die Stelle datierte das Mindestgültigkeitsdatum, das eine Marke für die Domainanmeldung mitbringen muss, auf Juli 2015 zurück. Also auf einen Zeitpunkt, zu dem nach eigenen Angaben nicht einmal die internen Verhandlungen in Salzburg angelaufen waren. Unternehmensjuristin Barbara Schlossbauer: „Wir wollten nicht in den Ruf kommen, dass wir Einzelne besserstellen.“ Für die Einführungskampagne hat die Nic.at fünf große Namen als Testimonials verpflichtet. Kleiner Treppenwitz: Der Wolfsburger Autobauer VW ist einer davon. Wein betont: „Das ist explizit keine Zusage, dass sie die Domains deswegen früher oder billiger bekommen.“

Die Sonne geht teils früher auf

Eine sogenannte Sunrise-Phase soll den in anderen Ländern erlebten Ausverkauf verhindern. Den Vortritt haben die Markeninhaber: Sie können zuerst Anspruch auf eine ihrer Marke entsprechende ein- oder zweistellige Domain erheben. Wenn sie die Einzigen mit einem gültigen Rechtsanspruch sind, haben sie schon gewonnen. Gibt es mehrere Bewerber, müssen sie sich „auf finanzieller Ebene duellieren“, wie Schlossbauer es ausdrückt. Als Beispiel nennt sie Mobilfunkbetreiber A1 und das A1-Automodell von Audi. „Im Zweifelsfall gewinnt nicht die stärkere Marke oder die mit der größeren Reichweite, sondern die, die bereit ist, mehr zu zahlen“, sagt die Juristin. Ihre Registrierungsstelle prüfe nur Gültigkeit, nie Wertigkeit der Marke. „Wer den Zuschlag nicht bekommt, kann die Domain nur dem anderen abkaufen oder rechtliche Schritte ergreifen, indem er die Marke dahinter anficht.“

Nach Weins Einschätzung kann so eine Klage zwar bei einer „schwindligen, erst vor Kurzem angemeldeten Marke“ Erfolg haben. Bei gestandenen Firmen wie A1, die jeder kenne, aber nicht. „Dann ist der Zug abgefahren – das haben uns auch Markenanwälte bestätigt.“ Laut den Salzburgern sehen die meisten Praktiker der Kurzdomain-Einführung aber entspannt entgegen. Sie erwarteten sich keine allzu großen Rechtsstreitigkeiten. Die Nic.at ist sich ihrer eigenen Rolle als Vergabestelle bewusst: „Wir bemühen uns, dass uns kein Vorwurf gemacht werden kann, es nicht breit kommuniziert zu haben.“

Verschlafene Fristen

Laut Schlossbauer müsste jeder Markenrechtler inzwischen bemerkt haben, dass sich etwas tut. Sollte einer von ihnen die Neueinführung dennoch verschlafen, wäre sein Klient gezwungen, in der im November anlaufenden öffentlichen Auktion mitzubieten – falls die gewünschte Domain noch zum Verkauf steht. Aber die sich hieraus ergebenden Haftungsfragen der Rechtsberater stehen auf einem anderen Blatt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2016)

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