Beihilfen sollen nicht den Aktionären dienen

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Wer ist an den Verlusten einer notleidenden Bank zu beteiligen? Dazu nahm der EuGH nun in einer aktuellen Entscheidung Stellung.

Wien. Im Herbst 2013 musste die Banka Slovenije, die Slowenische Zentralbank, feststellen, dass fünf slowenische Banken Kapitallücken aufwiesen. Keine dieser fünf Banken verfügte über ausreichendes Vermögen, um ihre Gläubiger zu befriedigen oder den Wert ihrer Einlagen zu decken.

Am 17. Dezember 2013 fasste die Slowenische Zentralbank deshalb einen Beschluss über außerordentliche Maßnahmen zur Rekapitalisierung, zur Rettung beziehungsweise zur Liquidation dieser Banken. Und die Kommission genehmigte nur einen Tag später die von den slowenischen Behörden angemeldeten staatlichen Beihilfen an die betroffenen Banken.

Die vorgesehenen Maßnahmen wurden auf Grundlage des Gesetzes über das Bankwesen erlassen und sahen die Liquidation von Eigenkapital der Aktionäre sowie die von Hybridkapital und nachrangigen Schuldentiteln vor. Bei all diesen Titeln handelt es sich um Finanzprodukte, die ähnliche Eigenschaften wie Aktien oder Anleihen aufweisen. Das bedeutet, im Fall einer Insolvenz des emittierenden Kreditinstitutes werden zuerst die Inhaber gewöhnlicher Anleihen, dann jene nachrangiger Titel und zuletzt jene der Aktionäre befriedigt. Zum Ausgleich für das finanzielle Risiko, das ihre Inhaber somit tragen, bieten diese Finanzinstrumente einen höheren Ertrag.

Bankenmitteilung ist gültig

Der Verfassungsgerichtshof Sloweniens hatte sich aufgrund mehrerer Anträge mit der Verfassungsmäßigkeit des Bankwesengesetzes zu befassen. In diesem Zusammenhang ersuchte der Gerichtshof den EuGH, sich zur Gültigkeit und Auslegung von Bestimmungen der Bankenmitteilungen der Kommission zu äußern. Insbesondere hatte sich der EuGH auch zu mehreren Fragen im Zusammenhang mit Beihilfen an notleidende Banken zu befassen und zu entscheiden, welche Beteiligung Aktionäre und nachrangige Gläubiger an Verlusten zu tragen haben.

In seiner Entscheidung (C-526/14) ging der EuGH zunächst auf das Verhältnis des Beihilfenrechts der sogenannten Bankenmitteilung der Europäischen Kommission ein, die in diesem Zusammenhang erlassen worden ist. „Die Bankenmitteilung ist nach dem EuGH eine Richtlinie der Kommission, die für Mitgliedstaaten für die Frage der Beurteilung der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit zwar eine sehr gute Richtschnur bieten kann, jedoch für sie nicht unmittelbar bindend ist“, sagt Rechtsanwalt David Bauer (Kanzlei DLA-Piper Weiss Tessbach).

Sie besagt, dass Beihilfen nur zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaates zulässig sein sollen, wenn es um die Rettung einer Bank geht. „Dabei ist auf eine entsprechende Lastenverteilung zu achten. Vor der Gewährung einer Beihilfe ist zur Deckung von Kapitallücken und Tragung von Verlusten daher zunächst eine Beteiligung der Aktionäre und der nachrangigen Gläubiger anzustreben. Die Beihilfe soll also gerade nicht dazu dienen, diesen Stakeholdern einen finanziellen Vorteil zu verschaffen“, so Bauer. Und weiter: Anteilseigner und nachrangige Gläubiger können sich also nicht auf den Vertrauensschutz oder den Schutz des Eigentums berufen. Vielmehr gibt es keinerlei Garantien der Kommission, dass Anteilseigner und nachrangige Gläubiger nicht am Tragen des Verlustes mitbeteiligt sein müssten. Auch der Umstand, dass in der ersten Phase der Finanzkrise die nachrangigen Gläubiger nicht sofort zu einem Beitrag aufgefordert wurden, begründet keinen solchen Vertrauensschutz.

Öffentliches Interesse geht vor

Wie begründet der EuGH seinen Standpunkt? Bauer: „Er argumentiert dies insbesondere mit dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems. Zudem werden ja die Anteilseigner – im Hinblick auf den Eigentumsschutz – nicht schlechtergestellt als in der Insolvenz. Das gilt auch für nachrangige Gläubiger.“

Bemerkenswert findet der Anwalt die Entscheidung des EuGH insofern, als sie einen Fall der Sanierung von Banken vorErlassung des einheitlichen Sanierungs- und Abwicklungssystems für Banken in Europa betrifft. „Aus der Entscheidung lässt sich erkennen, dass der EuGH Sympathien für eine Art ,Vorwirkung‘ der Prinzipien der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie hat.“

So stelle das Gericht klar, dass die Verlustbeteiligung von Anteilseignern und nachrangigen Gläubigern nicht zwingend einen Beschluss der Hauptversammlung voraussetzt. Es reicht auch eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung, wenn es sich um eine außerordentliche Maßnahme handelt, die dazu dient, beträchtliche Störungen im Wirtschaftsleben zu vermeiden.

„Ist dies der Fall, anerkennt der EuGH Abweichungen von den üblichen Aktionärsrechten auch bereits vor Geltung der Bankensanierungs- und Abwicklungsrichtlinie“, sagt Bauer.

AUF EINEN BLICK

EuGH-Urteil (C-526/14).

Der EuGH hatte jüngst auf Ersuchen des slowenischen Verfassungsgerichtshofes Fragen im Zusammenhang mit Beihilfen an notleidende Banken sowie die Beteiligung von Aktionären und nachrangigen Gläubigern an den Verlusten zu entscheiden. Der EuGH ging in seiner Entscheidung auch auf das Verhältnis der sogenannten Bankenmitteilung der Europäischen Kommission und der Verlusttragung durch Gesellschafter und nachrangige Gläubiger ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2016)

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