Wenn der Chefarzt doch nicht operiert . . .

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wer mit dem Chef- oder Oberarzt vereinbart, dass genau er und niemand anderer operieren soll, wird dann auch tunlichst von diesem Arzt operiert – möchte man jedenfalls meinen.

In Deutschland musste sich ein Mann einer chirurgischen Handoperation unterziehen. Diesen Eingriff sollte der Chefarzt des Krankenhauses – er hatte den Patienten auch zuvor untersucht – durchführen. So war es zwischen den beiden vereinbart worden. Hand legte jedoch nicht der Chefarzt, sondern ein stellvertretender Oberarzt an.

Der Patient litt nach der Operation unter erheblichen Problemen. Er klagte deshalb auf Schmerzengeld. Das stünde ihm keinesfalls zu, so der Standpunkt der Klinik. Ein Gutachten hatte nämlich zweifelsfrei festgestellt, dass dem behandelnden Arzt während der Operation keinerlei Fehler unterlaufen sei. Fazit der Klinik: Selbst der Chefarzt hätte bei dem Eingriff nichts besser als sein Stellvertreter machen können. Auch wenn er höchstpersönlich das Messer angesetzt hätte, dem Patienten ginge es deshalb nicht besser.

Dieser Meinung schloss sich das Oberlandesgericht Koblenz an und lehnte alle Ansprüche des Patienten ab. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe (BGH) hingegen hob das Urteil auf, der Fall muss neuerlich geprüft werden. Seiner Meinung nach hat sich die Klinik sehr wohl schuldhaft verhalten: Denn vereinbart ein Krankenhaus mit dem Patienten eine Chefarztbehandlung, darf dieser auch nicht einfach von einem anderen Arzt operiert werden. Ob der Eingriff korrekt durchgeführt wird, spielt dabei gar keine Rolle. Die Klinik habe das Vertrauen des Patienten enttäuscht. Das dürfe nicht sanktionslos bleiben, so der BGH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2016)

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