Ringstraßen-Galerien: Al Jaber verlor vor dem OGH

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schon 2011 hätte der Verkauf der Ringstraßen-Galerien über die Bühne gehen sollen. Doch der saudisch-österreichische Unternehmer Bin Issa Al Jaber legte sich quer.

Wien. Wer hat zu beweisen, dass ein Umlaufbeschluss des Aufsichtsrats gültig oder ungültig ist? Mit dieser für ein Verfahren wesentlichen Frage hatte sich kürzlich der Oberste Gerichtshof (OGH) zu befassen (2 Ob 35/16k). Konkret ging es um einen Aufsichtsratsbeschluss, der für das Zustandekommen eines Liegenschaftskaufvertrags notwendig war. Dabei handelte es sich um ein prominentes Objekt: die Wiener Ringstraßen-Galerien.

Die Erste Wiener Hotel AG ist rechtlich und wirtschaftlich dem Einflussbereich des saudisch-österreichischen Unternehmers Mohamed Bin Issa Al Jaber zuzurechnen. Dieser Aktiengesellschaft gehörte das begehrte Wohnungseigentumsobjekt Kärntner Ring 11–13. Die Dom Immobilien Leasing GmbH hatte schon im März 2011 ein Kaufangebot für diese Liegenschaft unterbreitet. Und das hatte der Vorstand der Erste Wiener Hotel AG auch angenommen. Allerdings unter der aufschiebenden Bedingung, dass ihr Aufsichtsrat das Rechtsgeschäft noch genehmigen müsse.

Beschluss nur auf Laptop

Doch die Genehmigung ließ auf sich warten. Nach einigen Wochen wollte Dom Immobilien den unliebsamen Schwebezustand beendet wissen und forderte die Vorlage des Aufsichtsratsbeschlusses. Bei einem Treffen mit der Verkäuferin bekam die Geschäftsführerin von Dom Immobilien diesen dann auch zu Gesicht. Wenn auch in einer unüblichen Weise: Sie durfte bei einem Treffen Ende April einen Blick auf einen Laptop der Erste Wiener Hotel AG werfen und sah dort einen eingescannten Umlaufbeschluss mit den Unterschriften der Aufsichtsräte der Gesellschaft. Damit war für die Käufer – und, wie diese dachten, auch für die Verkäufer – klar, dass die aufschiebende Bedingung eingetreten und das Geschäft zustande gekommen sei.

Doch dann kam alles anders: Nach einigen Tagen verständigte die Erste Wiener Hotel AG ihren Vertragspartner, dass der Kaufvertrag nicht rechtswirksam sei. Einen Grund für den plötzlichen Rückzug nannte man nicht. Die verdutzte Käuferin zog vor Gericht und klagte die Erste Wiener Hotel AG auf Einhaltung des Kaufvertrags und bekam auch vor dem OGH recht.

Die Wiener Hotel AG hatte im Zivilprozess behauptet, der Kaufvertrag sei nicht zustande gekommen, denn von insgesamt sechs Aufsichtsräten der Gesellschaft hätten nur fünf den Umlaufbeschluss unterfertigt. Die Unterschrift Bashayer Al Jabers, der Tochter von Mohamed Bin Issa Al Jaber, dem sechsten Aufsichtsratsmitglied, habe gefehlt. Und die Geschäftsführerin der Dom Immobilien konnte diese Behauptung nicht widerlegen, zumal sie auf dem eingescannten Umlaufbeschluss nicht die Unterschriften gezählt, sondern lediglich darauf geachtet hatte, dass die des Vorsitzenden Al Jaber und dessen Stellvertreters zu finden waren. Die Beklagten ihrerseits untermauerten ihre Behauptung auch nicht, etwa indem sie im Zuge des Prozesses den „unvollständigen“ Aufsichtsratsbeschluss vorlegten.

Doch ist ein Umlaufbeschluss ungültig, wenn die Unterschrift nur eines Aufsichtsrats fehlt? „Sowohl das Aktiengesetz (AktG, Anm.) als auch die Satzung der Erste Wiener Hotel AG sieht das Mehrheitsprinzip für Aufsichtsratsbeschlüsse vor. In diesem Fall lag allerdings ein Umlaufbeschluss vor“, sagt Rechtsanwalt Dieter Ortner (Gabler Gibel & Ortner Rechtsanwälte), der die Dom Immobilien vertreten hat. „Solche Beschlüsse sind nach dem Aktiengesetz auch zulässig, sofern kein Mitglied des Aufsichtsrats der Beschlussfassung im Umlaufweg widerspricht.“ Widersprechen kann jedoch nur jemand, der von der Beschlussfassung überhaupt Kenntnis hat. Ob das der Fall war, konnte die Klägerin nicht beweisen, weshalb das Handelsgericht die Klage der Dom Immobilien abwies und die Bedingung als nicht eingetreten sah.

Anders entschieden die zweite Instanz und auch der OGH. Sie schlossen sich den Argumenten der Klägerin im Wesentlichen an: Es sei zwar richtig, dass regelmäßig der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen habe, doch gerade in diesem Fall sei genau das nicht möglich, so ihr Vorbringen. Ortner: „Wie sollen wir eine Negativtatsache beweisen, nämlich konkret, dass niemand widersprochen hat? Das ist unmöglich.“

Beweisnähe ist entscheidend

Das stimmt. Einer Klagspartei kann nicht zugemutet werden, Tatsachen nachzuweisen, bei welchen die Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, da die Beweisnähe vielmehr beim Beklagten liegt, befand das OLG Wien wie auch der OGH. Zudem wäre es den Klägern schon aufgrund der Verschwiegenheitsverpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder auch bei einem Zeugenbeweis gar nicht möglich gewesen, entsprechende Auskünfte zu verlangen. Hingegen hätten die Aufsichtsratsmitglieder gegenüber ihrer Aktiengesellschaft jedenfalls „reden können“ bzw. „reden müssen“, damit sie den Prozess bestmöglich führen kann. Fazit: Die Beweisnähe und damit die Beweislast lag daher eindeutig bei Al Jabers Unternehmen. Dass dessen Tochter jedoch dem Umlaufbeschluss gar nicht zugestimmt hätte, diesen Beweis habe die Aktiengesellschaft aber nicht erbracht. Die aufschiebende Bedingung sei damit eingetreten und der Kaufvertrag zustande gekommen.

Die Entscheidung ist nicht nur für diesen, sondern für alle Aufsichtsräte relevant. Ortner: Es reiche eben nicht, wenn sich die Beklagtenseite darauf zurückziehe, Wirksamkeitsvoraussetzungen lediglich zu bestreiten, aber nichts dazu tue, die anspruchsvernichtenden Tatsachen vorzubringen oder nachzuweisen. Dann nämlich, so zeigt die Entscheidung des OGH, können die Gerichte die Beweislast zulasten jener Partei verschieben, die „näher zum Beweis ist“. In diesem Fall war das eindeutig die beklagte Aktiengesellschaft und nicht die Klägerin.

AUF EINEN BLICK

Für die Wirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen reicht nach dem Aktiengesetz die Mehrheit. Nach § 92 Abs 3 AktG ist auch ein Umlaufbeschluss zulässig. Allerdings nur dann, wenn kein Mitglied des Aufsichtsrats der Beschlussfassung im Umlaufweg widerspricht. Ein Widerspruch eines Mitglieds setzt allerdings die Kenntnis von dem Umlaufbeschluss voraus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2016)

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