Böse Schiedsgerichte? "Da kann ich mich nur wundern"

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Das Freihandelsabkommen Ceta zeigt, wie negativ Schiedsgerichte hierzulande gesehen werden. Dabei brächten sie gerade für ein kleines Land wie Österreich Vorteile, meint Anwalt Günther Horvath.

Wien. Die Aversion gegen Schiedsgerichte ist hierzulande groß. Die Absichtserklärung, Schiedsgerichte aus der vorläufigen Anwendung des EU-Kanada-Freihandelsabkommens Ceta herauszunehmen, sei jedenfalls „ein erster Schritt in die richtige Richtung“, sagte am vergangenen Freitag SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Es müsse einfach klar werden, „dass private Schiedsgerichte nicht gegen unseren Willen eingeführt werden können“, betont er weiter und ist mit seinen Aussagen ganz auf Linie seines Chefs, Bundeskanzler Christian Kern. Weshalb Kern, Schieder und viele andere Politiker sich mit Händen und Füßen gegen die Schiedsgerichtsbarkeit zur Wehr setzen, lässt sich bei der hoch emotional geführten Debatte rund um Ceta und TTIP nicht immer leicht herausfiltern.

Rechtsanwalt Günther Horvath, einer der bekanntesten Schiedsrechtsexperten des Landes, hat die Diskussionen der vergangenen Wochen mit Staunen verfolgt: „Ich finde es bizarr, dass gerade ein kleines Land wie Österreich eine so vehemente Abwehrhaltung gegen die Schiedsgerichtsbarkeit pflegt. Wir müssten doch das allergrößte Interesse daran haben, bei der Streitbeilegung im Sinn der Objektivität wenigstens ein bisschen mitgestalten zu können.“

Purer Populismus?

Wie er sich die Abwehrhaltung hierorts erklärt? Offenbar hätte sich in Österreich niemand ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, vermutet er. „Man übernimmt Schlagworte etwa von NGOs, die aus ganz anderen Gründen – Stichworte ,Mehr Staat‘, ,Gegen Industrialisierung‘, ,Gegen Globalisierung‘ – diese Kampagnen fahren.“ Wenn also österreichische Politiker Schlagworte einfach so übernehmen, ist das für Horvath nichts anderes als purer Populismus.

Anhand eines Beispiels erklärt er, weshalb Schiedsgerichte gerade für kleinere Staaten wie Österreich sinnvoll sind: Ein steirischer Maschinenbauer errichtet im US-Bundesstaat Iowa eine Fabrik. Dort werden Mähmaschinen mit Mähbalken gebaut, die größer sind als jene US-amerikanischer Herkunft. Daraufhin erlässt der Staat Iowa ein Gesetz, das die Produktion von Mähbalken mit über einem Meter Größe verbietet. Für den österreichischen Fabrikanten fatal. Er muss in der Folge seine Produktion einstellen, erleidet riesige Verluste, die ihn an den Rand der Insolvenz bringen. Man brauche wirklich kein Jurist zu sein, um zu begreifen, dass der steirische Unternehmer mit einer Klage gegen den US-amerikanischen Staat vor einem ordentlichen Gericht in Iowa nie und nimmer zu seinem Recht kommen werde, sagt Horvath.

Dass ein Rechtsstreit dieser Konstellation nicht nur in den USA, sondern auch in Russland oder in afrikanischen Staaten wohl ebenfalls mit einer Niederlage für den österreichischen Investor enden würde, daran hat er keine Zweifel. „In vielen Staaten bestehen eben noch nicht die hohen rechtsstaatlichen Standards, die wir in Österreich gewohnt sind“, sagt Rechtsanwältin Patrizia Netal, Expertin für Commercial Arbitration. Auch sie kann die starke Ablehnung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit schwer nachvollziehen. Sie beruhe überwiegend auf irrationalen Ängsten, die sich mit Fakten und Daten nicht erklären ließen, sagt sie. „Es geht dabei doch um Folgendes: Ein Investor, der im Ausland investiert, soll nicht gezwungen werden, Streitigkeiten mit dem Investitionsstaat vor dessen eigenen Gerichten auszutragen. Bekanntlich bezahlt genau dieser Staat die Gehälter der Richter, entscheidet über Beförderungen und hat ein eigenes Interesse am Prozessverlust des Investors. Daher sollte vielmehr ein – von beiden Seiten – völlig unabhängiges Gremium entscheiden“, so Netal.

Viele Mythen, wenig Fakten

Doch wie ist der oft ins Treffen geführte Einwand zu bewerten, große Konzerne könnten bei Schiedsverfahren alles zu ihren Gunsten richten? Für Horvath ist das Argument lachhaft, das Gegenteil sei der Fall. Er bleibt bei seinem Beispiel: Große Konzerne könnten es sich nicht vor Schiedsgerichten, sondern vielmehr vor staatlichen Gerichten wie etwa in Iowa richten. Dort seien sie nämlich politisch engagiert und würden laut darüber nachdenken, ob sie das nächste Werk in Iowa oder doch lieber woanders errichten wollen.

Eine andere von Kritikern oft geäußerte Sorge, Investitionsschiedsverfahren bedrohten die nationale Souveränität, entkräftet Netal: „Es ist ein Mythos, dass Schiedsgerichte immer auf der Seite des Investors stehen. In der Mehrzahl der Verfahren haben Staaten obsiegt und nicht die klagenden Investoren. Dazu kommt, dass Investitionsschiedsgerichte Staaten keine politischen Entscheidungen aufzwingen können. Sie entscheiden in der Regel nur über finanzielle Ansprüche.“

Doch zurück zu dem Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada: Geht es nach Horvath, könne man bei dem im Ceta-Agreement vorgesehenen Gericht gar nicht mehr von einem Schiedsgericht im eigentlichen Sinn sprechen: Das Streitbeilegungsgremium soll aus 15 von der EU und Kanada benannten Mitgliedern bestehen, die jeweils in Dreiertribunalen über einzelne Fälle entscheiden. „Hier bestellen also nicht mehr die Parteien, sondern letztlich die Staaten die Richter. Das wird einfach so hingenommen. Wenn wer in diesem Zusammenhang noch von den bösen Schiedsgerichten spricht, dann kann ich mich nur wundern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2016)

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