Haftung: Manager müssen Alleswisser sein

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Die Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG, ihres Zeichens Techniker, hielten sich an die Rechtsauskunft ihrer Berater und stimmten einer Umstrukturierung zu. Aus Sicht des OGH war das falsch.

Wien. Darf ein Vorstand auf den Rat seines Rechtsanwalts vertrauen, oder muss er sich selbst einen Überblick über die aktuelle Rechtslage verschaffen, bevor er Entscheidungen trifft? Mit dieser Frage beschäftigte sich der sechste Senat des Obersten Gerichtshofs (OGH) in einer ganz aktuellen Entscheidung (6 Ob 198/15h).

Gleich vorweg: Der Fall ist noch nicht endgültig entschieden, denn der OGH hält ihn noch nicht für entscheidungsreif. Er hat das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen. Allerdings stellte er gleichzeitig klar, dass sich die Geschäftsführer – zwei von ihnen waren Techniker – nur unter strengsten Voraussetzungen mit Rechtsunkenntnis entschuldigen könnten. Fazit: Auch rechtsunkundigen Geschäftsführern ist die inhaltliche Überprüfung einer (strittigen) Rechtsfrage zumutbar.

Zum Sachverhalt, der sich Ende 2008 ereignete. Im Wesentlichen drehte sich alles um eine Umstrukturierung einer Unternehmensgruppe, im Zuge derer einzelne Beteiligungen einer GmbH & Co. KG in eine andere Konzerngesellschaft eingebracht wurden. Bei der Transaktion erhielt die GmbH & Co. KG allerdings keine Gegenleistung. Und war, scheint's, auch nicht vollständig im Gewinn gedeckt. Wohlgemerkt, die Beteiligungen wurden nur konzernintern, und zwar im Einvernehmen mit der Alleingesellschafterin, verschoben, das Konzernvermögen blieb daher unangetastet.

Unbeachtete Judikaturwende

Hätte es sich um eine GmbH und nicht um eine GmbH & Co. KG gehandelt, dieser Fall wäre nachgerade ein Musterbeispiel für einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr. Dieses im GmbH- und Aktienrecht normierte Verbot besagt, dass Vermögenswerte nicht einfach mir nichts, dir nichts einer Kapitalgesellschaft weggenommen werden dürfen. Es sei denn, die Vermögensübertragung ist vom Gewinn gedeckt oder erfolgt gegen angemessene Gegenleistung. Der Zweck des Verbots ist evident: Das Vermögen der Gesellschaft soll erhalten werden, ihre Gläubiger und andere Mitgesellschafter geschützt. Doch zurück zum Ausgangsfall: Die Einbringung der Beteiligungen in die andere Gesellschaft fand Ende 2008 statt. Bevor die Geschäftsführer der GmbH & Co. KG dieser Umstrukturierung zustimmten, hatten sie noch die Expertise eines Steuerberaters, eines Notars, eines Rechtsanwalts und auch die des Leiters der eigenen Rechtsabteilung eingeholt, um sich rechtlich abzusichern. Und offensichtlich hielt keiner der Juristen die Transaktion für unzulässig.

Der Haken dabei: Eine OGH-Entscheidung (2 Ob 225/07p), die am 28. Juni veröffentlicht wurde, hatten die zu Rate gezogenen Juristen offenbar nicht in ihre Erwägungen einfließen lassen oder womöglich gar nicht erwähnt. Ein kapitaler Fehler, wie sich später herausstellte.

Die Experten hätten nämlich den Geschäftsführern der GmbH & Co. KG in Kenntnis der damals brandneuen Entscheidung nicht so ohne Weiteres zu der geplanten Umstrukturierung raten können. Vielmehr hätten sie wohl vor einem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr warnen müssen, denn der OGH hatte in besagter und nachfolgend viel kritisierter Entscheidung 2 Ob 225/07p erstmals klargestellt, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr nicht nur auf Kapitalgesellschaften, sondern auch auf die GmbH & Co. KG – die ja eine Kommanditgesellschaft ist – anwendbar ist.

Klage auf zehn Millionen Euro

Zum Verhängnis wurde den Geschäftsführern das alles 2010, als über sie und ihre Muttergesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. In der Folge klagte der Insolvenzverwalter die Geschäftsführer auf die Zahlung von zehn Millionen Euro, weil sie ihre Gesellschaft mit dem Abschluss des Einbringungsvertrages geschädigt hätten. Die Vorinstanzen wiesen die Klage des Insolvenzverwalters ab. Anders der OGH. Sein Beschluss wird nicht nur den Beklagten, sondern auch anderen Managern Sorge bereiten.

Denn das Argument der Beklagten, sie hätten sich bei ihrer Entscheidung auf interne und externe sachkundige Berater gestützt, gilt nur unter strengsten Voraussetzungen, so der sechste Senat. Die Beklagten werden darzulegen haben, warum die Argumente der Berater sie überzeugten, schließlich habe sich jeder mit den ihn treffenden Rechtsvorschriften vertraut zu machen.

Die Ansicht des OGH wirft Fragen auf, die im Geschäftsalltag eine wichtige Rolle spielen. Etwa: Erwarten Höchstrichter von Geschäftsführern, selbst wenn sie wie hier fachfremde Techniker sind, die Überprüfung höchst strittiger Rechtsfragen? Darf sich das Management künftig nicht mehr auf die Auskunft seiner Berater verlassen? Ganz offenbar, lautet die Antwort. Der deutsche Bundesgerichtshof vertritt freilich eine ganz andere Ansicht dazu, wie ein Blick in ein Urteil vom 28. 4. 2015 zeigt: Die dem Vorstand obliegende Plausibilitätsprüfung bestehe nicht in der rechtlichen Überprüfung der erhaltenen Rechtsauskunft, heißt es da.

AUF EINEN BLICK

Geschäftsführer einer GmbH & Co. KGübertrugen Anteile ohne Gegenleistung auf eine andere Konzerngesellschaft. Vor der Entscheidung hatten sie ihre Rechtsberater konsultiert, die das Vorgehen für unbedenklich hielten. Nun musste sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage befassen, ob die Manager sich auf den Rat der Berater hätten verlassen dürfen oder nicht. Sein Standpunkt in diesem Fall: Auch fachfremde Geschäftsführer müssen sich mit der Prüfung strittiger Rechtsfragen auseinandersetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2016)

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