Was bedeutet das "Recht auf gute Verwaltung"?

Theodor Thanner
Theodor Thanner(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die Grundrechtscharta der EU ist auch für Österreichs Verwaltung relevant.

Wien. „Good Governance und Wettbewerb“, dieses Thema stand im Fokus des Competition Talks, zu dem die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) vergangenen Montag geladen hatte. Der Begriff „Good Governance“ wird seit Anfang der 1990er-Jahre immer häufiger verwendet. Viele wissen dennoch nicht, was damit eigentlich gemeint ist. Generaldirektor Theodor Thanner übersetzte ihn in seiner Einleitung mit „guter Regierungsführung“. Er umfasse insbesondere die Prinzipien Transparenz, Partizipation, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft, sagte er. Doch der Begriff beinhalte nicht nur ein neues Verständnis von Regierung und Verwaltung. Mitumfasst seien davon genauso Religionsgemeinschaften und zivilgesellschaftliche Institutionen. „Und seine Schnittmenge mit dem Wettbewerb lässt sich unter anderem am Dokument ,Competition und Corporate Governance‘ der OECD aus dem Jahr 2010 ablesen. Good Governance soll für jede Regierungsinstitution selbstverständlich sein“, so Thanner.

Auch für Österreich relevant?

Doch was bedeutet das „Recht auf eine gute Verwaltung“? Dieser Frage ging Volksanwalt Peter Fichtenbauer, der als Referent geladen war, in seinem Vortrag nach. Der Begriff des „Rechts auf eine gute Verwaltung“ hat auch in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) Eingang gefunden. Gemäß Artikel 41 Absatz 1 GRC hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb angemessener Frist behandelt werden. Absatz 2 zählt demonstrativ diverse Verfahrensrechte auf.

Doch hat diese Bestimmung überhaupt Relevanz für die österreichische Verwaltung? Dem Wortlaut zufolge richtet sie sich nur an Organe der Europäischen Union, dennoch seien aufgrund der Rechtssprechung des EuGH auch die nationalen Rechtsordnungen davon betroffen, sagt Fichtenbauer. So hat der EuGH etwa in der Rechtssache Akerberg/Fransson, in der es um die Geltung des grundsätzlichen Verbots der Doppelbestrafung im schwedischen Finanzstrafrecht ging, die Anwendbarkeit des GRC ausdrücklich bejaht.

Und auch der Verfassungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis zum Asylverfahren, in dem er die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung der Parteienrechte zu beurteilen hatte, die Grundrechtscharta der EU als Prüfungsmaßstab angesehen. „Im Übrigen ist die Bedeutung des Artikels 41 GRC in der Rechtssprechung allerdings gering“, sagt Fichtenbauer. Für Ombudseinrichtungen wie die Volksanwaltschaft sei die Bestimmung mit ihrem Potenzial zur Weiterentwicklung der Rechtssprechung dennoch von großem Interesse, weil sie bemüht sind, über rechtliche Verpflichtungen im Einzelfall hinaus nach Verbesserungen für die Verwaltungspraxis zu suchen. (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.