Der Kapitalmarkt hofft auf den VfGH

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Ob Sanktionen, die sich am Jahresumsatz des Unternehmens orientieren, verfassungswidrig sind, wird sich bald klären.

Wien. Wir sind Pioniere, wir schreiben in diesem Land Rechtsgeschichte, pflegte der ehemalige Vorstand der Meinl Bank, Peter Weinzierl, immer wieder gern zu sagen, wenn er in den vergangenen Jahren vor die Presse trat. Und dazu hatte er aufgrund der unzähligen Rechtsstreitigkeiten, in die „sein“ Geldinstitut verstrickt war und ist, immer wieder Gelegenheit.

Auch jetzt – Weinzierl ist bei der Meinl Bank mittlerweile Geschichte – hat ein aktuelles Verfahren dieser Bank wieder das Potenzial, über den Anlassfall hinaus rechtliche Strahlkraft zu entfalten. In Kürze wird der Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine Strafbestimmung des Bankwesengesetzes (BWG), konkret § 99d, auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen. Die Finanzmarktaufsicht (FMA), der Dauerfeind der Meinl Bank, hat nämlich im September über dieselbe eine Geldstrafe von 953.700 Euro verhängt. Die FMA warf der Bank in ihrem Bescheid vor, zahlreiche Vorschriften zur Geldwäscheprävention missachtet zu haben. Wenig überraschend erhob der Anwalt der Meinl Bank, Manfred Ketzer, Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG). In diesem Rechtsmittel verwies Ketzer auf die ständige Judikatur des VfGH. Demnach sind hohe Strafen nur von einem ordentlichen Gericht zu verhängen, nicht von einer Verwaltungsbehörde, deren Mitarbeiter – anders als Richter – weder unabhängig noch weisungsfrei sind.

Endlich ist der VfGH am Zug

Das BVwG folgte den Gedanken der Meinl-Bank-Anwälte. Auch aus seiner Sicht erreichen die FMA-Strafen eine Höhe, die nur Strafgerichte verhängen dürfen. Deshalb entschied sich das BVwG dazu, beim VfGH den Antrag zu stellen, § 99d BWG als verfassungswidrig aufzuheben.

Diese Bestimmung sieht vor, dass die FMA über juristische Personen, also etwa Banken oder sonstige Emittenten, Geldstrafen verhängen darf, die bis zu zehn Prozent des vorigjährigen Jahresnettoumsatzes betragen können. Die FMA hat damit einen enormen Ermessensspielraum.

Diese einfachgesetzliche Bestimmung sei schon vor ihrem Inkrafttreten am 1. Jänner 2014 starker Kritik ausgesetzt gewesen, sagt Nicolas Raschauer, Professor für Bank- und Finanzmarktrecht an der Universität Liechtenstein. „Nun hat der VfGH endlich die Gelegenheit, die Bestimmung in der Sache zu prüfen.“ Der österreichische Gesetzgeber habe bei der Umsetzung der EU-Richtlinie völlig übers Ziel geschossen, ist er überzeugt: „Nach § 99d BWG kann die FMA auch bei kleinsten Verstößen schwere Strafen verhängen. Das ist unsachlich.“ Noch dazu gilt im Verwaltungsstrafrecht das sogenannte Kumulationsprinzip. Das heißt, jeder Verstoß wird gesondert sanktioniert, die Strafen werden addiert. Im Einzelfall kann das zu extrem hohen Gesamtpönalen führen.

Auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hoffen Raschauer und auch der Anwalt der Meinl Bank bereits im Frühjahr 2017. Ketzer: „Wir sehen dieses Verfahren als wichtige Klarstellung, inwieweit die vom Gesetzgeber etablierte Aufsichtsstruktur verfassungskonform ist, oder ob eben eine gerichtliche Zuständigkeit für bestimmte Themen vorgesehen sein muss.“ Das wäre für die österreichische Rechtsordnung kein Novum. Auch in Kartellsachen gibt es einen Rechtszug zum Kartellgericht.

Entscheidung hat Bedeutung

Beiden, Raschauer wie Ketzer, ist bewusst, dass die aktuelle Prüfung des VfGH nicht nur für die Meinl Bank, sondern für den gesamten Banken- und Kapitalmarkt von großer Bedeutung ist. Und sollte der VfGH zu dem Ergebnis kommen, dass § 99d BWG verfassungswidrig ist, hat das auch auf alle Regelungen Auswirkungen, die genauso gestrickt sind wie die genannte. Und das sind einige. Denn im österreichischen Bank- und Kapitalmarktrecht wurden in den vergangenen Jahren generell neue verwaltungsrechtliche Strafkataloge implementiert. Und sie unterscheiden sich deutlich von den alten Modellen. Gab es früher vorrangig für den Geschäftsleiter oder den verantwortlichen Beauftragten Strafen, die mit einer Höchstgrenze gedeckelt waren, sind heute die juristischen Personen in den Fokus gerückt.

Gleichzeitig orientieren sich die Höchststrafen nun am vorigjährigen Unternehmensumsatz. Beispiele gibt es viele: Bis zu fünf Prozent hat der Emittent nach § 95b Börsegesetz zu berappen. Ähnlich regelt 48e Börsegesetz die Sanktion bei Kursmanipulationen und Insiderhandel. Hier ist das börsenotierte Unternehmen gleich mit bis zu 15 Prozent des Jahresnettoumsatzes zu bestrafen. Eine ähnliche Regelung findet sich auch in der EU-Richtlinie MiFID II, die für Wertpapierunternehmen gilt. Hier macht das Höchstmaß der Strafe zehn Prozent des Umsatzes aus.

All diese Regelungen wären betroffen, wenn der VfGH § 99d BWG aufhebt: „Die aufgezählten Bestimmungen könnten dann ebenso als verfassungswidrig angefochten werden. Es sei denn, der Gesetzgeber wird zuvor von sich aus aktiv.“

AUF EINEN BLICK

Banken. Anlässlich zweier Entscheidungen der Finanzmarktaufsicht (Meinl Bank und Western Union) hat sich das Bundesverwaltungsgericht an den Verfassungsgerichtshof gewandt, um die Strafbestimmung 99d des Bankwesengesetzes auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Die Bestimmung sieht vor, dass die FMA die Banken und Emittenten mit bis zu zehn Prozent ihres Jahresnettoumsatzes bestrafen kann. Verfassungsrechtlich scheint diese Regelung fragwürdig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2016)

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