Vergaberecht: Strengere Regeln für "Selbstreinigung"

Für öffentliche Ausschreibungen müssen Firmen beruflich zuverlässig sein. Das trotz laufender Ermittlungen zu belegen, wird künftig schwieriger.
Für öffentliche Ausschreibungen müssen Firmen beruflich zuverlässig sein. Das trotz laufender Ermittlungen zu belegen, wird künftig schwieriger.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bieter, gegen die ermittelt wird, sollen künftig mit Behörde kooperieren.

Wien. Die Baubranche ist wieder einmal im Gerede: Baufirmen sollen sich bei öffentlichen Ausschreibungen abgesprochen haben, Ermittlungen laufen. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf ein Detail in der geplanten Vergaberechtsreform, das bislang wenig beachtet wurde: die aus der EU-Richtlinie übernommenen, verschärften Regeln über die berufliche Zuverlässigkeit. Diese betreffen unter anderem Unternehmen, die ins Visier der Behörden geraten sind.

Nach geltender Rechtslage gibt es Möglichkeiten zur „Selbstreinigung“, um trotzdem weiterhin an Ausschreibungen teilnehmen zu dürfen: Schulungen durchführen, ein Compliance-System installieren, Leute im Management austauschen – kurz gesagt Maßnahmen setzen, um künftige Fehler zu vermeiden. Das wird zwar weiterhin möglich sein, aber zu verschärften Bedingungen, warnen die Vergaberechtsexperten Manfred Essletzbichler und Sebastian Oberzaucher (Kanzlei Wolf Theiss).

Derzeit kann man solche Maßnahmen auch während laufender Ermittlungen setzen, ohne sich selbst belasten zu müssen, erklärt Essletzbichler – man könnte beispielsweise trotzdem vor Behörden die Aussage verweigern. „Und es ist ja nicht immer so klar, ob man wirklich etwas falsch gemacht hat, mitunter gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen.“ Künftig müsse man jedoch „die Hose runterlassen, sobald man erfährt, dass ermittelt wird“. Denn um trotzdem als zuverlässig zu gelten, wird man nachweisen müssen, dass man „umfassend durch aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden“ an der Klärung der Verfehlung mitgewirkt hat. „Man muss sich verhalten wie ein Kronzeuge“, sagt Oberzaucher. Und zwar auch ohne Aussicht auf Kronzeugenstatus.

Pflicht zum Schadenersatz

Auch dass man Schadenersatz geleistet oder sich dazu verpflichtet hat, muss man künftig belegen. Fraglich ist freilich, wie vorzugehen sein wird, wenn noch gar kein Schaden feststeht. Essletzbichler meint, dann könnte eventuell ein „Anerkenntnis dem Grunde nach“ gefordert sein. Womöglich sogar schon, wenn noch nicht einmal eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt? Ein Ausschluss von Ausschreibungen droht nämlich bereits, sobald der Auftraggeber von einer „Verfehlung“ erfährt. Beim Verdacht wettbewerbswidriger Absprachen zum Nachteil des Auftraggebers reichen sogar „hinreichend plausible Anhaltspunkte“.

All das liefere Stoff für Unsicherheit und Diskussionen, meinen die Juristen. Strittig könnte manchmal auch sein, ab wann die Verjährung läuft: Ohne erfolgreiche Selbstreinigung droht ab einer rechtskräftigen Verurteilung eine Sperre für fünf Jahre, bei anderen Ausschlussgründen für drei Jahre ab dem „Ereignis“. Was mit Ereignis gemeint sei, sei aber nicht immer eindeutig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2017)

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