Kreditzinsen: Kein Anspruch der Bank auf Mindestsatz

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Variable Zinsen können laut OGH unter die Höhe des Aufschlags sinken.

Wien. Kreditnehmer dürfen grundsätzlich nicht damit rechnen, von der Bank fürs ausgeborgte Geld auch noch Zinsen bezahlt zu bekommen, entschied kürzlich der Oberste Gerichtshof (OGH). Eine Bank darf demnach bei variabel verzinsten Krediten den Sollzinssatz bei Null einfrieren, sollte dieser rechnerisch ins Negative rutschen (10 Ob 13/17k). In einem etwas anders gelagerten Fall gab das Höchstgericht nun jedoch einem Kreditnehmer Recht: Dessen Bank wollte den vereinbarten Aufschlag als Mindestsatz verrechnen – das ließ der OGH nicht gelten (4 Ob 60/17b).

Der Bankkunde hatte zwei Kredite laufen: einen Eurokredit und einen endfälligen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken. Letzteren hatte er 2005 im Gegenwert von 160.000 Euro abgeschlossen, vereinbart waren variable Zinsen mit dem Libor als Indikatorwert plus 1,25 Prozent Aufschlag. Beim Eurokredit basierten die Zinsen auf dem Drei-Monats-Euribor. Ausgehend von einem Basiswert von vier Prozent, sollten sie jeweils an dessen Veränderungen angepasst werden.

„Beim Abschluss der Kreditverträge haben die Parteien nicht daran gedacht, dass Libor und Euribor jemals einen negativen Wert haben würden“, heißt es in der Entscheidung. Das damals Unerwartete geschah jedoch Jahre später – 2015 rutschten beide Zinssätze erstmalig ins Minus.

Vertragswortlaut eindeutig

Bei der Bank beschloss man daraufhin, für Zeiten einer negativen Zinsentwicklung den Indikatorwert mit Null anzusetzen: Denn schließlich sei ein fixer Aufschlag vereinbart worden, und dieser stehe der Bank auf jeden Fall zu. Das Erstgericht sah das genauso und ließ den Kreditnehmer mit seiner Klage abblitzen. Das Berufungsgericht drehte diese Entscheidung jedoch um, und der OGH bestätigte das: Auch wenn beim Vertragsabschluss niemand mit einer negativen Zinsentwicklung gerechnet habe, sei der Vertragswortlaut dennoch eindeutig. Es gebe keine Lücke, die durch eine „ergänzende Vertragsauslegung“ geschlossen werde müsste. Im Gegenteil: Die Annahme eines Mindestzinses stünde im Widerspruch zum tatsächlichen Parteiwillen und führe sogar zu einem gesetzwidrigen Ergebnis, fand das Höchstgericht. Ein Kreditnehmer, der einer Zinsänderungsklausel zustimmt, gehe nämlich – auch für den Kreditgeber erkennbar – von einer symmetrischen Verteilung von Chancen und Risiken aus. Eine solche Symmetrie sei zudem durch das Konsumentenschutzgesetz geboten.

Selbst wenn der Kreditnehmer eine Zeit lang gar keine Zinsen zahlen müsste, ginge damit der entgeltliche Charakter des Kreditvertrags nicht verloren, heißt es weiters in der Entscheidung. Schließlich habe der Kunde ja anfangs eine Bearbeitungsgebühr und in den ersten Jahren auch Zinsen gezahlt.

Keine Negativzinsen

Um Negativzinsen sei es hier nicht gegangen, ein solches Ansinnen habe der Bankkunde gar nicht gestellt, betonte das Höchstgericht freilich ebenfalls. Wie eingangs erwähnt, hat es einen solchen Anspruch von Kreditnehmern bereits einige Wochen zuvor in einem anderen Fall verneint. Es ging dabei um eine „Klarstellung“, die eine Bank ihren Kunden geschickt hatte – dahingehend, dass der Sollzinssatz zwar bis auf den Wert von null sinken könne, dass ihnen die Bank aber keine Zinsen zahlen werde, sollte der Zinssatz rechnerisch negativ werden.

Verbraucherschützer sahen darin eine unzulässige Geschäftspraktik, das Höchstgericht teilte diese Ansicht jedoch nicht. Als Kreditnehmer kann man demnach bestenfalls mit Nullzinsen rechnen – es sei denn, man hätte mit der Bank ausdrücklich vereinbart, dass bei einem Absturz von Libor oder Euribor ein Anspruch auf Negativzinsen entstehen kann. Eine solche Vereinbarung – so unwahrscheinlich sie faktisch ist – wäre laut dem OGH wirksam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2017)

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