Die letzten Kapitalerträge ohne Endbesteuerung

(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Bestimmte Kapitalerträge sind nicht von der seit Monatsbeginn geltenden Steuerabzugspflicht erfasst. Anleger müssen sich deshalb selbst um die Deklaration in der Steuererklärung kümmern.

Wien. Neben Vorratsdatenspeicherung und Sparpaket ist am 1. April eher unbemerkt auch die Vermögenszuwachssteuer in Kraft getreten. Sie beendet bei Kapitalanlagen die Unterscheidung zwischen Früchten und Substanz. Bisher unterlagen grundsätzlich nur die Früchte – im Wesentlichen Dividenden und Zinsen – der Kapitalertragsteuer und somit der Endbesteuerung; Wertsteigerungen der Substanz, also der Kapitalanlage selbst, waren im Privatvermögen grundsätzlich nur innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist steuerpflichtig. Diese Gewinne mussten aber – was dem Vernehmen nach nur selten geschah – im Zuge der Steuererklärung versteuert werden. Die Einbeziehung der Wertsteigerungen ins Steuerabzugssystem schließt daher nicht nur eine systematische Lücke, sondern verhilft bequemen Steuerpflichtigen auch zu mehr Steuerehrlichkeit.

Eine Betrachtung im Detail zeigt aber, dass es doch einige Bereiche gibt, die nicht von der Steuerabzugspflicht erfasst sind; bei ihnen sind daher auch weiterhin bestimmte Kapitalerträge in die Steuererklärung aufzunehmen.

Die Endbesteuerung besteht seit 1993. Mit dem Abzug der Kapitalertragsteuer (KESt) war zunächst die Einkommensteuer abgegolten. Bei Anleihen erstreckte sich die Abgeltungswirkung auch auf die Erbschafts- und die Vermögenssteuer. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken wurde die Endbesteuerung mit einem Verfassungsgesetz eingeführt, das der Nationalrat nur mit Zweidrittelmehrheit ändern kann. Nach dem Wegfall erst der Vermögens- und dann auch der Erbschaftssteuer bedeutet „Endbesteuerung“ aber nunmehr bloß, dass Kapitalerträge mit 25% KESt-Abzug final besteuert sind und eine Aufnahme in die Steuererklärung nicht mehr nötig ist.

Voraussetzung für die Endbesteuerung ist somit der Abzug der Kapitalertragsteuer. Ohne ihn sind Kapitalerträge (von Ausnahmen wie Wohnbauanleihen abgesehen) auch nicht endbesteuert und müssen in der Steuererklärung deklariert werden, wobei zumeist der progressive Einkommensteuersatz von bis zu 50% anzuwenden ist. Betrachtet man nun die Regelungen über die Vermögenssteuer, so sieht man doch einige Bereiche, die von Steuerabzug und Endbesteuerung nicht erfasst sind.

Private Placements. Ausgenommen vom Steuerabzug sind zunächst Forderungswertpapiere, die bei ihrer Begebung keinem unbestimmten Personenkreis angeboten wurden („Private Placements“). Da für Banken oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, ob ein Wertpapier öffentlich angeboten wird oder nicht, besteht bei ausländischen Wertpapieren die Vermutung, dass dies der Fall ist. Der in diesem Fall vorgenommene Steuerabzug entbindet den Anleger aber nicht von der Pflicht, Kapitaleinkünfte aus einem privat platzierten Forderungswertpapier in seine Steuererklärung aufzunehmen.

Derivate. Auch Derivate, wie Termin- oder Optionsgeschäfte sind nicht vom Steuerabzug erfasst. Nur wenn sie in Form von Wertpapieren verbrieft sind (z.B. Optionsscheine), unterliegen sie der KESt und somit der Endbesteuerung. Unverbriefte Derivate müssen in der Steuererklärung deklariert werden und unterliegen der progressiven Einkommensteuer.

Fremdwährungen. Der größte Bereich, der nicht endbesteuert ist, dürfte der Fremdwährungsbereich sein. Die jüngst ergangenen KESt-Richtlinien führen nämlich aus, dass jegliche Realisierung einer Wertsteigerung einer fremden Währung zur Steuerpflicht führt, und zwar unabhängig davon, ob die Fremdwährung in Euro umgewechselt wird oder nicht. Es reicht z.B. schon aus, wenn die Fremdwährung vom Konto behoben wird oder mit ihr ein Kapitalanlageprodukt gekauft wird. Hält somit ein Anleger ein US-Dollar-Konto und behebt er, weil er einen Urlaub in den USA plant, von diesem Konto Dollar in Cash, realisiert er einen Fremdwährungsgewinn oder -verlust, den er in der Steuererklärung angeben muss. Aber auch wenn er sich, statt auf Urlaub zu fahren, eine Anleihe in Dollar kauft, realisiert er unter Umständen einen Fremdwährungsgewinn, der zu versteuern ist. Nur im Fall, dass der Anleger die Anleihe wieder verkauft, nimmt die Bank einen KESt-Abzug vor, und allfällige Gewinne wären nicht selbst zu deklarieren.

Möchte der Anleger die Verpflichtung vermeiden, die Kapitalerträge in seine Steuererklärung aufzunehmen oder überhaupt eine solche einzureichen, sollte er künftig entweder ganz auf Fremdwährungskonten verzichten oder Kapitalerträge in fremder Währung sofort nach Zufluss in Euro wechseln.

Ebenfalls nicht von der Endbesteuerung erfasst sind Kapitalanlagen, die aus dem Ausland eingeliefert wurden und bei denen die inländische Bank mangels Kenntnis der Anschaffungskosten diese pauschal angesetzt hat. Aufpassen muss man auch bei anleihen, die zwischen 30. 9. 2011 und 1. 4. 2012 angeschafft wurden: Für sie gilt eine unbegrenzte Spekulationsfrist.

Verluste. Schließlich sind noch Verluste von Kapitalanlagen zu beachten. Im Rahmen der Vermögenszuwachssteuer können sie nämlich mit anderen Kapitaleinkünften ausgeglichen werden. Ursprünglich hätte dies nur im Rahmen der Steuererklärung möglich sein sollen, ab 2013 erfolgt der Verlustausgleich jedoch automatisch durch die Banken. Allerdings werden die Verluste immer nur von ein und derselben Bank automatisch ausgeglichen. Ein bankenübergreifender Verlustausgleich ist nicht möglich. Ein Verlust bei Bank A mit Kapitaleinkünften bei Bank B kann somit nicht automatisch durch die Banken, sondern nur durch den Anleger selbst in seiner Steuererklärung ausgeglichen werden. Dies ziehen Banken als Argument heran, das gesamte Vermögen bei einer Bank zu konsolidieren. Ob dies in Zeiten wie diesen vernünftig ist, muss jeder Anleger für sich selbst beurteilen.

Trotz der Absicht, die Endbesteuerung zu erweitern und Substanzgewinne einzubeziehen, sind also einige Bereiche von der Steuerabgeltung ausgenommen. Will der Anleger eine Steuerhinterziehung vermeiden, so bleibt ihm nur, entweder auf die genannten Kapitalanlagen oder auf seine Anonymität zu verzichten und seinen Pflichten in der Steuererklärung nachzukommen. Große Relevanz wird das insbesondere für jene Depots haben, bei denen der Endbesteuerung eine besondere Bedeutung zukommt, weil sie – vielleicht auch vor dem Hintergrund des am Freitag unterzeichneten Steuerabkommens mit der Schweiz – eventuell aus dem Ausland übertragen wurden und möglicherweise Kapitalerträge in der Vergangenheit nicht versteuert wurden.

Dr. Helmut Moritz ist Steuerberater in Wien und Lektor am Institut für Finanzrecht der Universität Graz.

Auf einen Blick

Die Kapitalbesteuerung hat bisher fast ausschließlich bei den Früchten – Zinsen, Dividenden – angesetzt. Wertsteigerungen in der Substanz waren nur innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist zu versteuern. Nach deren Entfall kümmern sich jetzt statt der Steuerpflichtigen selbst die Banken um den erweiterten Steuerabzug. Noch immer sind aber bestimmte Kapitalanlagen davon ausgenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2012)

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