Kontemplation an der Amalfi-Küste

Wo einst Nonnen in völliger Abgeschiedenheit hoch über dem Meer lebten, befindet sich ein außergewöhnliches Hotel.

Es passiert vermutlich häufig, dass die anreisenden Gäste das Tor zum Paradies verpassen und sich urplötzlich im engen Straßengeschlängel an der Küste kurz vor Amalfi wiederfinden. Dann heißt es umdrehen, ein Stück des Weges wieder retour, die Serpentinen nach oben fahren, unter der Steinbrücke hindurch, dann gleich scharf links abbiegen, um zum Tor jenes Hotels zu gelangen, in dem sich die Badewanne mit einem der schönsten Ausblicke der Welt befindet. Jetzt braucht man nur mehr am Seil ziehen, das eine große Glocke mit ihren tiefen Gongs zum Erklingen bringt, und schon öffnet sich die Tür zu einem außergewöhnlichen Ort.

Leben in völliger Isolation

Die Dominikanerinnen, die hier oberhalb des Fischerdorfs Conca dei Marini bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts lebten, würden ihr Kloster wohl nicht mehr wiedererkennen. Dort, wo sie sich dem Paradies nah gefühlt haben, ist ein neues, ein anderes Paradies entstanden. Weltlich, aber doch kontemplativ, bescheiden und doch voll Luxus. Was die Nonnen und die heutigen Gäste gemein haben, ist ihr Bedürfnis nach Abgeschiedenheit und Ruhe. Die geistlichen Schwestern führten ein Leben hinter dicken Mauern ohne jeden Kontakt zur Außenwelt, die letzte von ihnen verstarb 1920. Die Hotelgäste sind nicht einem solchen Leben der Isolation verpflichtet, sondern genießen einfach das Ambiente und die Möglichkeiten dieses besonderen Platzes.

Südlich von Neapel liegt das Monastero Santa Rosa in der Region Kampanien im Sorrent, direkt an einem Vorsprung der berühmten Amalfiküste. Es ist vom Wasser aus weithin sichtbar, ein großer, geheimnisvoll wirkender Gebäudekomplex. Die Landschaft rundherum war ob ihrer Faszination ein Anziehungspunkt bereits zur Zeit der alten Römer und auch für zahlreiche Künstler späterer Zeitalter wie beispielsweise William Turner. Seine wunderschönen Skizzen von der Amalfiküste entstanden 1819 anlässlich seines Besuchs in der Region. Heute sind sie in der Tate Gallery in London zu bewundern und zeigen die Faszination, das besondere Licht, die diese Gegend ausstrahlt.

Stufig. In vielen Terrassen ist  die ehemalige  Klosteranlage  errichtet worden.
Stufig. In vielen Terrassen ist die ehemalige Klosteranlage errichtet worden.Monastero Santa Rosa

Wohin man auch blickt, Gelb und Blau bestimmen die spektakuläre Komposition. Das Blitzblau des Meeres, die schroffen Felsen und das strahlende Gelb der Zitronen, die hier prächtiger und aromatischer scheinen als irgendwo anders, dominieren. Diese Pracht hat die Unesco veranlasst, die Amalfiküste unter Schutz zu stellen. Immer wieder haben Künstler diese einmalige Landschaft für sich entdeckt und über sie geschwärmt. Die vielleicht schönsten und eindrucksvollsten Worte hat der amerikanische Schriftsteller John Steinbeck bei seinem Aufenthalt in Positano angesichts der Amalfiküste gefunden: „It is a dream place that isn’t quite real when you are there and becomes beckoningly real after you have gone.“

Bianca Sharma, Amerikanerin mit Heidelberger Wurzeln – sympathisch, bodenständig –, ist der Faszination des Orts ebenfalls auf Anhieb verfallen. Sie erwarb die Klosterruine aus dem 17. Jahrhundert vor rund zwei Jahrzehnten und verwandelte sie in das wohl schönste Boutiquehotel an der Amalfiküste. Sie hatte das markante Objekt hoch über dem Meer eigentlich zufällig – bei einer Bootsfahrt – entdeckt und sich magisch davon angezogen gefühlt. Seither pendelt sie jedes Jahr zwischen Texas und der Amalfiküste, um eine Saison lang Gastgeberin zu sein.

Umbau eines Denkmals

Zehn Jahre sollte es allerdings dauern, bis alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte der Region mit den Plänen der Texanerin einverstanden waren. Erst dann konnte die aufwendige Renovierung des lang brachgelegenen Komplexes abgeschlossen werden (nur kurz war es immer wieder einmal gastronomisch genutzt und dann wieder aufgegeben worden). 

Grün. Die klösterliche Gartentradition lebt weiter: Ein Fundus für Christoph Bobs Küche.
Grün. Die klösterliche Gartentradition lebt weiter: Ein Fundus für Christoph Bobs Küche. Monastero Santa Rosa

harma holte sich schon während der Umbauphase den erfahrenen und ortskundigen Hotelmanager Flavio Colantuoni an ihre Seite und eröffnete schließlich im Jahr 2012 ihr Hotel. Im weitläufigen Gebäude gibt es nur zwölf Zimmer und acht Suiten. Platz wäre hier für viel mehr, aber das Konzept von Sharma verlangt nach Großzügigkeit und Rückzugsplatz für ihre zum Teil sehr prominenten Gäste.

Die Atmosphäre des Orts sollte erhalten, die Spiritualität spürbar bleiben, erklärt Sharma. Das Gebäude wurde von Grund auf unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes und mit Materialien, die bereits im 17. Jahrhundert verwendet wurden, restauriert. Aus den Zellen wurden Zimmer, einzelne Einheiten wurden zu größeren Räumen zusammengelegt. Die Struktur der spartanischen Klosterarchitektur lässt sich noch an den Gewölbetonnen ablesen. Auch an den Gängen. Und an manchen Stellen erinnert ein Schild daran, wie weltabgewandt die Nonnen hier gelebt und wie einsam sie die Welt verlassen haben.

Der Geist des 17. Jahrhunderts

Was an Interieur fehlte, erstand Sharma bei vielen Fahrten quer durch Italien. Möbel, die einmal in verschiedenen Palazzi quer durchs Land ihre Heimstatt hatten, fanden im Monastero Santa Rosa einen neuen, gebührenden Platz. So ist es Sharma mit gelungen, die Struktur des ehemaligen Nonnenklosters zu erhalten. Die Kombination von Interieur aus der Vergangenheit und der Gegenwart mit Antiquitäten aus dem 17. Jahrhundert, italienischen Möbeln und zeitgenössisch-­abstrakten Kunstwerken erzeugt eine noble Aura.

Steil. Der  Infinitypool  wurde kühn in die Küstenlandschaft integriert.
Steil. Der Infinitypool wurde kühn in die Küstenlandschaft integriert.Cyrus Saedi

Die Glocke zum Traumort

Ziehen wir also am Seil, die Glocke läutet, und wir werden sogleich mit einem Getränk aus Kräutern des Gartens sowie einem kühlen Handtuch zur Erfrischung begrüßt. Dazu führt man uns auf eine kleine Terrasse, von der aus sich ein atemberaubender Blick auf das Tyrrhenische Meer bietet.
Die langen, ruhigen Gänge des Hotels entlangschlendernd, bekommt man ein gutes Gefühl für die Geschichte des alten Gebäudes und wie es wohl gewesen sein mag, als hier noch Nonnen in großer Bescheidenheit und Abgeschiedenheit lebten. Mit der Außenwelt kommunizierten sie nur über kleine Auslässe, die keinen Blickkontakt ermöglichten. In einer Nische am Gang sieht man einen Beichtstuhl. Hier konnten die Nonnen ihre Beichte gegenüber einem Priester ablegen, der in der benachbarten Kirche saß und so auch keinerlei direkten Kontakt mit der Nonne hatte.

Heute finden die Bewohner des Hauses, die Hotelgäste, ein offenes Haus und jeglichen Komfort vor, wenn auch nicht der Luxus im Vordergrund steht, sondern die kontemplative Erholung. Weitere fantastische Ausblicke auf das Tyrrhenische Meer hat man von jedem Zimmer und von den großen Terrassen aus. In einigen Zimmern lässt sich das blitzblaue Wasser sogar von der Badewanne aus erblicken, sodass der Eindruck entsteht, mit Meer und Landschaft eine Einheit zu bilden.

Das Restaurant des Hotels befindet sich im Erdgeschoß des Gebäudes. Von hier aus nach unten sind die Gärten terrassenförmig angelegt und enden auf der untersten Ebene mit dem Infinity Pool. Liegt man in seinem vorderen Bereich, wird man beinahe eins mit dem Meer und dem Himmel vor sich. Eine überwältigende Kulisse.

Die terrassenartig angelegten Gärten sind Heimat vieler typischer Pflanzen der Mittelmeerküste und der ursprünglichen Pflanzungen der Nonnen – unzählige Blumen und Kräuter gedeihen hier das ganze Jahr über. Die Gartengänge sind gesäumt mit Steinen, ein guter Ort zum Verweilen.
Der Küchengarten, das Refugium des aus Deutschland stammenden Sternekochs Christoph Bob, befindet sich gleich hinter dem

Kloster auf einem Hang. Die Nonnen konnten früher diesen Garten völlig ungesehen über eine Brücke erreichen. Dazu durchquerten sie die Kirche Santa Maria da Grado, die heute noch neben dem Hotel steht und von Bianca Sharma finanziell unterstützt wird. Sie erzählt, dass sie großen Wert auf ein gutes Verhältnis mit der regionalen Bevölkerung legt und auf diese Weise ihren Respekt ausdrücken möchte.

Spirituell. Ihre Kirche Santa Maria da Grado betraten die  Dominikanerinnen unbemerkt.
Spirituell. Ihre Kirche Santa Maria da Grado betraten die Dominikanerinnen unbemerkt.Monastero Santa Rosa

Pflanzen weisen den Weg

Im weitläufigen Garten wachsen Auberginen, Artischocken, Tomaten, Salate, Erdbeeren, Feigen und Kräuter bereits ab April um die Wette. Dank der günstigen klimatischen Bedingungen gedeiht hier alles in Hülle und Fülle, ganz ohne zu düngen und extra zu bewässern. Das wissen auch die kleinen Geckos zu schätzen, die sich gern an den feinen Erdbeeren laben, wie Christoph Bob erzählt. Die jeden Morgen vom Meer hochsteigende Feuchtigkeit, der Schlackenboden und die Sonne begünstigen das Gedeihen und erzeugen ein ganz besonderes Mikroklima.

Eine schattenspendende Eiche, ein schöner kühler Platz zwischen üppigen Gemüse und Kräutern: Auch das ein Ort der Kontemplation für den Gast. Vor allzu neugierigen Blicken durch Wanderer schützen ausladende Heckenrosen entlang des Küchengartens. In einem weiteren kleinen, neben der Küche liegenden Kräutergarten werden Salbei, essbare Blumen, Minze, Schnittlauch, Thymian und noch einiges mehr angebaut. Und Christoph Bob hat für fast alle Pflanzen und Kräuter Rezepte oder Tipps parat. Wir erfahren zum Beispiel, dass das junge Ohr des Kaktusfeigenbaums, fein aufgeschnitten und gedünstet, wie Paprika schmeckt. Als Erinnerung bekommt jeder Gast zum Abschied Bobs Rezept für „Campotti mit Shrimps, Spinat und Zitrone“ und ein Packerl der dabei verwendeten Teigwaren mit auf den Nachhauseweg. Anfang des Jahres 2018 gab es für den Koch des Monasteros den Michelin-Stern, übrigens den einzigen für ein Restaurant an der Amalfiküste. Im Il Reffetorio sind nicht nur Gäste des Hotels oder der nächsten Umgebung anzutreffen, nein, sie kommen oft von weit her – Italiener nehmen durchaus drei Stunden Fahrtzeit in Kauf, um Christoph Bob und seiner Küche einen Besuch abzustatten.

Spa im Weinkeller

Noch ein hübsches Detail im Monastero Santa Rosa: Man muss sich hier nicht die Zimmernummern merken, sondern die Bilder einzelner Pflanzen und ihren lateinischen Namen – eine kleine Reminiszenz an die klösterliche Tradition. Anders hingegen verhält es sich im Spa: Es befindet sich im ehemaligen Weinkeller der Nonnen. Und es beeindruckt, wie viel Licht aus den hoch oben befindlichen Fenstern tief in diesen weiteren Ort der Kontemplation hereinfällt.

Infos

Unterkunft: Monastero Santa Rosa: Privat geführtes Hotel an der Amalfiküste, 56 Kilometer von Neapel entfernt, auf einem Felsvorsprung in Conca dei Marini. April bis November geöffnet. www.monasterosantarosa.com


Umgebung: Einen Ausflug wert ist Amalfi, die Stadt unterhalb der steilen Klippen mit der arabisch-normannischen Basilika Sant’Andrea mit ihrer gestreiften byzantinischen Fassade.

Typisch: Sfogliatelle, feine muschelförmige Blätterteigtaschen mit einer Füllung aus „bianco mangiare“ (Creme aus Hartweizengrieß, Milch, Zucker und Marmelade). Sie werden im Monastero Santa Rosa nach Originalrezept der Nonnen gebacken. Täglich zum Frühstück.

Compliance Hinweis: Die Reise wurde vom „Monastero Santa Rosa„ unterstützt.

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