Sommergewitter häufiger in trockenen Regionen

(c) EPA (Gabriel Diaz)
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Satellitendaten zeigen, dass heftige Nachmittagsgewitter (konvektiver Niederschlag) eher über trockenen als über feuchten Böden entstehen. Die Ergebnisse stammen von Mikrowellenmessungen.

Wer nicht weiß, was Sommergewitter sind, hat die letzten Monate nicht in Österreich verbracht. Es gab mehrere, oft wochenlange Perioden, in denen es tagsüber extrem heiß war und sich am Nachmittag hohe Wolkentürme aufbauten, aus denen dann heftige Gewitter zu Boden gingen: „Konvektiver Niederschlag“ heißt es, wenn es an heißen Tagen zu Gewitterstürmen kommt, die nicht von einer Front über das Land getrieben werden, sondern punktuell niedergehen.

Nun haben Forscher (mit Beteiligung der TU Wien) herausgefunden, dass die Entstehung solcher Sommergewitter ganz anders abläuft als bisher gedacht. Logischerweise gingen alle bisherigen Klimamodelle davon aus, dass sich diese Gewitterwolken dort sammeln, wo der Boden viel Feuchtigkeit enthält: Diese verdampft, steigt als feuchtwarme Luft auf und kommt als Niederschlag wieder herunter. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass herkömmliche Klimamodelle das nicht richtig darstellen“, sagt Wouter Dorigo, gebürtiger Niederländer, der seit fünf Jahren am Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung der TU Wien forscht.

Die Ergebnisse stammen von Mikrowellenmessungen: Forschungssatelliten können die natürliche Mikrowellenstrahlung der Erde, die im Gegensatz zu sichtbarem Licht problemlos durch die Wolkendecke dringt, im All messen; oder man kann per Satellit gezielt Mikrowellenpulse auf die Erde schicken und messen, wie stark diese reflektiert werden. Daraus lässt sich die Bodenfeuchte errechnen – diese Daten wurden mit dem Niederschlag in der jeweiligen Region verglichen.

„Sehr überraschend hat sich gezeigt, dass die starken Sommergewitter eher dort auftreten, wo der Boden trockener ist als in den benachbarten Regionen“, sagt Dorigo. „Eine positive Rückkopplung, bei der sich konvektiver Niederschlag eher über feuchten Stellen bildet, konnte in diesen Beobachtungen nicht gefunden werden.“ Dass die Berechnung der Rückkopplungsmechanismen nun neu überdacht werden muss, wurde im Fachjournal „Nature“ (12.9.) publiziert.

Welche Phänomene dahinterstecken, dass sich kleinräumige Nachmittagsgewitter über trockenem Boden bilden, ist aber noch nicht klar. „Wahrscheinlich heizt sich die Luft über trockenen Böden leichter auf, wodurch es zu intensiveren vertikalen Luftbewegungen kommt“, mutmaßt Dorigo.

„Jedenfalls sind die Rechenleistungen von Computern heutzutage noch nicht groß genug, um so kleinräumige Phänomene für die ganze Welt zu errechnen. Wir haben auf einem Raster von 25 bis 50 Kilometern pro Messpunkt gearbeitet. Da waren die zwei bis drei Kilometer kleinen Gewitter und ihre Auswirkungen trotzdem erkennbar.“

Klimamodelle von morgen sollten nun so entworfen werden, dass sie diese Phänomene beachten können. „Denn mit dem Klimawandel könnte diese Art von Niederschlag auch in Europa immer häufiger werden. Wir haben den Effekt jetzt noch am stärksten in Afrika, z.B. über der Sahel-Region gemessen“, erklärt Dorigo.


Kleinräumige Modelle. Um besonders kleinräumige Modellierungen des Klimas kümmern sich derzeit Forschergruppe in Graz. Unter der Leitung von Andreas Gobiet versucht die ReLoClim-Gruppe (Regional and Local Climate Modelling and Analysis Research) am Wegener Zentrum für Klima und globalen Wandel (Uni Graz), das Rasternetz von Simulationen des Klimas der nächsten Jahrzehnte immer enger zu schnüren.

„Auf europäischer Ebene können wir bis ins Jahr 2100 Simulationen des Klimas entwerfen, bei denen der Abstand zwischen zwei Rasterpunkten 12,5 Kilometer beträgt“, sagt Gobiet. Das Wegener Zentrum koordiniert diese Forschungen der „Euro-Cordex“-Initiative in Zusammenarbeit mit dem Climate Service Center Hamburg. Weiters arbeiten in Österreich auch das AIT, die ZAMG und die Boku mit dem Wegener Zentrum im „Reclip:Century“-Projekt an neuartigen Klimamodellen des Alpenraums mit einem Raster von zehn Kilometern.

Diese Auflösung ist bei sogenannten „hydrostatischen Klimamodellen“ derzeit das Beste, was man herausholen kann. „Die Modelle beruhen auf gewissen Vereinfachungen von physikalischen Grundgleichungen“, erklärt Gobiet. Will man es noch kleinräumiger wissen (auf zwei bis drei Kilometer), um z.B. Sommergewitter realistischer zu simulieren, muss man „nicht hydrostatische“ Klimamodelle entwerfen: „Dadurch können wir Konvektionen, Luftbewegungen bei Sommergewittern, besser simulieren als bisher. Das benötigt enorme Rechnerleistungen, und es wird wohl noch fünf Jahre dauern, bis solche Modelle auch für langfristige Klimaprojektionen eingesetzt werden können“, sagt Gobiet.

Vernetzung

Im Herbst 2011 haben sich praktisch alle relevanten Organisationen, die hierzulande Klimaforschung betreiben, zum „Climate Change Center Austria“ (CCCA) zusammengetan – etwa die Unis Wien, Graz, Innsbruck, Klagenfurt und Salzburg, die Boku, die TU Wien und Graz, ÖAW, AIT, Joanneum Research, Wifo oder ZAMG. Ziele sind die Stärkung der Forschungslandschaft, die Nachwuchsförderung und ein verstärkter Wissenstransfer in die Praxis.

Die Geschäftsstelle des CCCA befindet sich in der Boku Wien. Kommende Woche öffentlich präsentiert wird nun das CCCA-Servicezentrum in Graz
(Haus der Wissenschaft, Elisabethstraße 27): Es soll die zentrale Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Anwendern werden.

http://ccca.boku.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2012)

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