Osterinsel: Gingen die Statuen zu Fuß?

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Ein US-Archäologe widerspricht Jared Diamond heftig. Der Steingiganten wegen wurde die Umwelt nicht ruiniert, für ihren Transport wurde nicht abgeholzt.

Die Osterinsel ist das Musterbeispiel dafür, wie der Mensch die Umwelt so ruinieren kann, dass er selbst zum Opfer wird. Vor allem Jared Diamond hat die Geschichte popularisiert („Kollaps“), sie dreht sich in einer Abwärtsspirale um die Steinfiguren (Moai), die die Siedler ab 1200 aus Steinbrüchen schlugen und an die Küsten transportierten. Um die tausend wurden angefertigt – die erste hatte zehn Tonnen, die letzte 270 –, zum Transport legte man sie auf Palmstämme und rollte die. So lange, bis von Millionen Palmen nicht eine mehr da war. Das brachte „Ökozid“ (Diamond) mit Hunger, wohl auch Kannibalismus. Aber es gab kein Zurück: ohne Palmen keine Boote.

Unfug, entgegnet Carl Lipo, Anthropologe der California State University: „Diamond ist kein Archäologe und hat nie auf der Osterinsel gearbeitet. Seine Annahmen sind falsch.“ Etwa die, dass man aus den Palmen Boote hätte bauen können: „Ihr Holz ist dafür nicht hart genug. Die Kanus waren alle aus Holz von anderen Inseln Polynesiens.“ Und warum auch immer die Palmen verschwanden – am Transport der Moais lag es nicht. Denn die kamen laut Lipo nicht liegend zur Küste, sondern aufrecht: Sie gingen bzw. wurden gegangen.

Pendelnd voran, so wie wir

Das berichteten Insulaner im 20. Jahrhundert – „die Felsblöcke hatten die Macht, im Dunkeln zu gehen“ –, es waren Legenden. Wissenschaft kam erst in den 50er-Jahren, als Thor Heyerdahl Experimente mit Palmstämmen machte, seitdem ist die Idee in der Welt. Erst 1995 gab es den Verdacht, die Statuen seien wirklich gegangen (worden). Darauf deuten die Transportwege bzw. das, was am Rand liegt: Moai, die den Weg nicht schafften. Sie sind anders als die an den Küsten, sie haben noch keine Augen, die wurden erst am Ende eingesetzt, und sie hatten eine andere Gestalt: Ihr Schwerpunkt lag hoch und so, dass die Figuren leicht nach vorn gebeugt waren.

Das sind auch wir beim Gehen, zugleich pendelt unser Oberkörper hin und her. Exakt so könnte es bei den Moais gewesen sein, Lipo hat es experimentell erkundet: Er hat eine Moai-Replik bauen lassen, aus Beton, drei Meter hoch, 4,4 Tonnen schwer, er hat Seile flechten lassen, er hat Freiwillige rekrutiert. Einen Kran brauchte er auch, bei den ersten Versuchen fiel das Monstrum immer wieder um.

Dann war die Lösung da: Es braucht drei Seile um den Kopf der Statue, eines führt nach hinten, mit ihm wird verhindert, dass die Statue nach vorn fällt; die anderen führen nach rechts und links, sie bringen die Figur ins Pendeln. Und das brachte sie in einer Stunde 100 Meter voran, 18 Mann genügten (Journals of Archaelogical Science, 23.10.). Wären sie Osterinsulaner gewesen, hätten sie die Statue am Ziel bearbeitet, ihr Augen eingesetzt und sie insgesamt so behauen, dass sie aufrecht steht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2012)

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