Solarhaus: "Prinzessin" im weißen Kleid

Solarhaus Prinzessin weissen Kleid
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Das Solarhaus L.I.S.I. aus Wien tritt 2013 beim "Solar Decathlon" in den USA an: Es soll bei Energieeffizienz, Raumklima, Marktfähigkeit etc. überzeugen.

Als Österreicher wollten wir ein bisschen mit dem imperialen Gedanken spielen“, sagt Projektleiterin Karin Stieldorf. „Doch ,Sissi‘ konnten wir das Projekt nicht nennen. Das heißt in Amerika ja ,Schlappschwanz‘. Daher haben wir uns für ,Lisi‘ entschieden.“ L.I.S.I. steht für „Living Inspired by Sustainable Innovation“, also Wohnen, das von nachhaltigen Innovationen inspiriert wird.

Das Team von Architekten und Bauphysikern der TU Wien ist nicht erst seit seiner Entwicklung des „Palettenhauses“ bekannt, bei dem aus gebrauchten Paletten Häuser gebaut werden, die bei temporärer Unterkunftsnot aushelfen (etwa nach Katastrophen oder in Krisengebieten). Nach einer Reihe von Architekturwettbewerben, die das Team um Stieldorf, Claus Schnetzer und Gregor Pils bereits gewinnen konnte, wagt es sich nun an den Olymp der Wettbewerbe heran: an den „Solar Decathlon“, den das amerikanische Energieministerium seit 2002 veranstaltet.

Von zirka 150 Einreichungen wurden 20 Teams ausgewählt, die im Oktober 2013 nach Kalifornien reisen dürfen, um von Sonnenenergie autark betriebene Häuser vorzustellen, die dort über 350.000 Besucher sehen wollen. Nur zwei der Qualifizierten stammen nicht aus den USA: die TU Prag und die TU Wien. Damit ist Österreich erstmals bei der universitären Weltmeisterschaft im „Nachhaltigen Bauen“ dabei – und kämpft gegen so renommierte Unis wie die Stanford University oder das Kalifornische CalTech-Institute. „Die Frage ist: Wie erreichen wir hohe Lebensqualität und Komfort, ohne der Natur zu schaden?“, sagt Stieldorf. Das Projekt L.I.S.I. wurde nun gemeinsam mit 35 Studierenden der TU Wien und Partnern von der FH St. Pölten, der FHSalzburg und dem Austrian Institute of Technology (AIT) entworfen. Es soll „eine Kombination von gestalterischer Schönheit, technischer Exzellenz und Klugheit“ sein.

Derzeit existiert das Haus, das mehr Energie produziert, als es verbraucht, nur auf dem Papier (bzw. in der Computersimulation). Doch ab April 2013 wird der Probeaufbau des Hauses, das große einrollbare Solarflächen auf dem Dach hat, in Wien gestartet. An diesem Prototyp werden alle Tests der zehn Kategorien durchgeführt, die das Haus auch in Kalifornien beim Solar Decathlon bestehen muss.

Außer der Aufgabe, dass das Haus mehr Energie produzieren soll, als Haushaltsgeräte, Heizung, Kühlung und Warmwasser verbrauchen, muss auch das Raumklima passen (22 bis 24 Grad unabhängig von der Außentemperatur). Der Energieverbrauch wird für zwei Personen berechnet, doch vor Ort werden auch zwei Dinnerpartys und ein Kinoabend abgehalten, um zu beweisen, dass das Haus für viele Besucher geeignet ist. Zudem werden Wirtschaftlichkeit, Marktfähigkeit und Öffentlichkeitsarbeit bewertet. Die TUDarmstadt konnte 2009 bereits den Sieg bei dieser WM nach Europa holen, wobei das deutsche Team viele öffentliche Förderer und Sponsoren hinter sich hatte. Stieldorf schätzt die Kosten ihres Prototyps auf 350.000 Euro, was aber auch den gesamten Transport des (in Modulen gefertigten) Hauses von Wien nach Kalifornien (in sechs Schiffscontainern) inkludiert. Der Aufbau beim Solar Decathlon muss übrigens in nur neun Tagen gelingen! Neben den Hauptförderern BMVIT und FFG sind auch schon einige Sponsoren bei L.I.S.I. an Bord, weitere werden noch gesucht.

Auch kleine Investitionen (1000Euro) sind möglich, dafür wurde das „100Friends“-Programm eingerichtet (www.solardecathlon.at). Obwohl sich das Projekt noch in der Forschungsphase befindet, gibt es bereits Angebote von Fertighausfirmen, die das Plus-Energie-Holzhaus auf den Markt bringen könnten.

Das Besondere daran ist, dass zusätzlich zu 65 Quadratmetern Wohnfläche zwei große Höfe eingebunden sind: Während nach Osten und Westen keine Fenster sind (damit man es als Reihenhaus koppeln kann), öffnet sich der Wohn-Ess-Bereich durch Glasschiebetüren zum Nord- und zum Südhof. Diese können für Sicht- und Sonnenschutz mit einem wetterfesten Vorhang geschlossen werden. Aus dem gleichen Stoff wie der des Vorhangs sollen für die weiblichen Team-Austria-Mitglieder Kleider genäht werden: um auszudrücken, dass L.I.S.I. quasi eine Prinzessin im weißen Kleid ist – abseits vom Lederhosenimage Österreichs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2012)

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