Größe, Form, Chemie: Partikel auf einen Blick

(c) REUTERS DANISH SIDDIQUI
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Wie sich fünf Forschungsinstitute gemeinsam eine teure Forschungsinfrastruktur zulegen können. In einem Pilotprojekt des Wirtschaftsministeriums standen heuer 500.000 Euro für ACR-Institute bereit.

Viele Materialien unseres täglichen Lebens liegen in Form kleiner Partikel vor: von Staub und Mehl bis hin zu Rauch. Die feine Körnung verändert die Eigenschaften dieser Materialien dramatisch. Dabei spielt nicht nur die Größe der Teilchen eine Rolle, sondern auch ihre Form. Diese physikalischen Eigenschaften zu analysieren ist allein schon schwierig genug – noch komplizierter wird die Situation dadurch, dass viele Pulver aus mehreren, chemisch unterschiedlichen Komponenten bestehen. Die Zusammensetzung genau zu kennen ist aber entscheidend für die Eigenschaften und für die Optimierung von Produktionsprozessen.

Ein gutes Beispiel ist Zement: Dieser besteht u.a. aus Kalk, Kieselsäure, Eisen- oder Aluminiumverbindungen; die Zusammensetzung muss beim Mischen, Brennen, Sintern und Mahlen genau gesteuert werden, damit Beton am Ende die erwünschte Festigkeit aufweist. Bisherige Messmethoden konnten das nur unzureichend sicherstellen. Ein neues Gerät am Forschungsinstitut der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZfi) soll Abhilfe schaffen: Der „Morphologi G3–ID“ kann nicht nur Größe und Form von tausenden Partikeln rasch ermitteln (durch Analyse von Mikroskopiebildern), sondern auch die chemische Zusammensetzung jedes einzelnen Teilchens – durch Raman-Spektroskopie, bei der die Wellenlänge eines Laserstrahls durch das jeweilige Material verschoben wird. Das Spektrum des zurückgestreuten Lichts ist charakteristisch für die chemische Zusammensetzung.

Dieses Gerät – das erst zweite seiner Art in Europa – wäre mit einem Preis von rund 200.000 Euro für das VÖZfi allein viel zu teuer gewesen. Daher haben sich die Zement- und Betonforscher mit anderen Instituten aus dem Netzwerk der Austrian Cooperative Research (ACR) zusammengetan.

Diese Kooperation war auch Voraussetzung dafür, dass öffentliche Fördermittel lukriert werden konnten: In einem Pilotprojekt des Wirtschaftsministeriums (BMWFJ) standen heuer 500.000 Euro für ACR-Institute bereit, wenn diese gemeinsam Großgeräte anschaffen und betreiben. Diese Vorgangsweise ist ein Versuch, die unbefriedigende Situation bei der Forschungsinfrastruktur zu verbessern: Vielfach stehen Geräte nur Forschern innerhalb eines bestimmten Instituts zur Verfügung – auch wenn sie dort nicht ausgelastet sind. Das Fördermodell hat sich bewährt und soll in den nächsten Jahren fortgesetzt werden.

Für das Partikelmessgerät gibt es bereits eine Reihe von Ideen aus anderen Branchen. So will die Lebensmittelversuchsanstalt (LVA) z.B. das Mahlen von Getreide, das Löslichkeitsverhalten von Substanzen oder die Homogenisierung von Säften optimieren. Das Bautechnische Institut Linz (BTI) sucht optimale Korngrößen von Tonmineralien, die in Ziegeln bessere Wärmedämmung versprechen. Die Versuchs- und Forschungsanstalt der Hafner Österreichs (VFH) will die Feinstaubemissionen ihrer Heizungen verringern. Und das Zentrum für Elektronenmikroskopie (ZFE) in Graz will durch Vergleich mit anderen Analysemethoden z.B. etwas über die Veränderung von Zementpartikeln beim Aushärten zu Beton erfahren.

ACR

Austrian Cooperative Research (ACR) ist ein Dachverband von Forschungs- und
Prüfinstituten, die vorwiegend für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) tätig sind, die selbst über keine eigenen Forschungsabteilungen verfügen.

Aktuell hat ACR
18 ordentliche und acht außerordentliche Mitglieder aus Branchen wie Bauen, Lebensmittel, Umwelttechnik oder erneuerbare Energien. Jüngster Zuwachs ist das TIZ-Landl Grieskirchen, wo komplette Maschinen oder ganze Fahrzeuge geprüft werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2012)

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