Verbotene Frucht: Grapefruit kann der Gesundheit schaden

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Fleisch oder Saft der Frucht bringt ungewollt die Wirkung von immer mehr Medikamenten durcheinander.

Im November 2008 kam eine 42-jährige US-Amerikanerin in ein Spital, ihr linkes Bein schmerzte stark, tags darauf war es violett, die Ärzte konnten es knapp retten, sie entfernten ein Blutgerinnsel der Vene. Dazu hatte vieles beigetragen: Die Frau war übergewichtig und fuhr viel mit dem Auto, vor allem aber hatte sie drei Tage zuvor eine Crashdiät mit Grapefruits begonnen. Und sie nahm die Pille. Deren Östrogen kann zur Gerinnselbildung beitragen, wenn zu viel davon im Körper ist. Und bei der Frau war es zu viel: Die Grapefruits hatten dafür gesorgt, dass das Östrogen nicht wie gewohnt abgebaut wurde.

So macht die „verbotene Frucht“ – man nannte die Kreuzung aus Bitterorange und Pampelmuse so, als sie 1750 bekannt wurde – ihrem Namen böse Ehre. Dass sie die Wirkung von Medikamenten beeinflussen kann, fiel dem Arzt David Bailey vor 20 Jahren auf, an Felodipin, einem Blutdrucksenker, er wirkte mit Saft stärker, bei anderen Medikamenten ist es ähnlich. „Von 2008 bis 2012 ist die Zahl der Medikamente, bei denen Grapefruits zu ernsthaften Nebenwirkungen führen können, von 17 auf 43 gestiegen“, bilanziert Bailey nun (Canadian Medical Association Journal, 26. 11.): „Das sind sechs pro Jahr, und das kommt vor allem daher, dass neue Medikamente eingeführt wurden.“ Aber natürlich liegt es auch daran, dass Ärzte genauer hinschauen und dass der Wirkungsweg geklärt wurde.

Enzymblockade erhöht Bioverfügbarkeit

Er läuft über ein Enzym in der Darmwand, CYP3A4. Das bestimmt darüber, welche Anteile eines Wirkstoffs in den Körper gelangen, „bioverfügbar“ werden. CYP3A4 lässt nicht alles durch bzw. baut vieles ab, bei Felodipin etwa kommen im Schnitt nur 15 Prozent ans Ziel. Aber Inhaltsstoffe von Grapefruits – Furanokumarine – binden so an das Enzym, dass es seine Tätigkeit einstellt. Dann kommt zu viel von dem Medikament in den Körper, bei Simvastatin etwa, das ist ein gebräuchlicher Cholesterinsenker. Dessen Gehalte steigen um 330 Prozent, wenn drei Tage hintereinander 200 Milliliter Grapefruitsaft getrunken werden; die Konsequenz kann Rhabdomyolyse heißen, dabei lösen sich Skelettmuskeln auf.

Es geht querbeet durch die Apotheke, und immer reicht ein Glas Saft oder eine verzehrte Grapefruit. Am stärksten ist die Wirkung (bei Felodipin) nach vier Stunden, und sie klingt nur langsam ab, sie besteht noch zu einem Viertel nach einem Tag. Betroffen sind Medikamente, die oral aufgenommen werden, besonders gefährdet sind natürlich Menschen, die viele Medikamente nehmen, vor allem ältere. Zusätzlich kompliziert wird die Lage dadurch, dass ganz individuell reagiert wird: Beim Felodipin plus 250 Milliliter Saft zeigte sich bei manchen Personen keinerlei Wirkung, bei anderen erhöhte sich die Bioverfügbarkeit um das Achtfache.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2012)

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