Wiener Methode soll "Schrödingers Fluch" bannen

Wiener Methode soll Schroedingers
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Physiker an der Uni Wien stellen ein neues Verfahren für die Computerberechnung der Eigenschaften von Festkörpern vor.

Ob in Atomen, schlichten Molekülen, Proteinen oder Festkörpern: Es ist die 1926 vom Österreicher Erwin Schrödinger aufgestellte Schrödingergleichung (oder ihre relativistische Verallgemeinerung, die Diracgleichung), die das Verhalten der Elektronen beschreibt. Und damit die meisten Eigenschaften der jeweiligen Substanz, in der die Elektronen sich tummeln.

Das Problem ist, dass die Schrödingergleichung nur für ganz simple Fälle exakt lösbar ist: z.B. für ein Elektron in einem konstanten Potenzial („Kasten“) oder in einem Wasserstoffatom. Für schwierigere Systeme braucht man Näherungsmethoden. Vor allem für Festkörper hat sich eine Theorie bewährt, die der in Wien geborene, doch von den Nazis vertriebene Physiker und Chemienobelpreisträger Walter Kohn begründet hat: die Dichtefunktionaltheorie. Sie beruht im Wesentlichen auf der Reduktion eines Vielteilchenproblems auf ein effektives Einteilchenproblem: Man behandelt nur ein Elektron im Potenzialfeld der Kerne und der anderen Elektronen. Da es keine exakte Lösung gibt, verlegt man sich meistens auf eine „iterative“ Methode: Man rechnet aus dem Potenzial die Wellenfunktion aus, aus dieser das Potenzial, aus dieser wieder die Wellenfunktion usw., bis sich nicht mehr viel ändert.

Monte-Carlo-Methoden

Auf unzähligen Instituten laufen Computerprogramme, die auf dieser Theorie beruhen. Ein Programmpaket, das in aller Welt verbreitet ist, stammt aus Wien: das „Vienna ab initio Simulation Package“ (VASP), geschaffen von Georg Kresse, Physiker an der Universität Wien.

Kresse ist aber nun auch bei einem Team, das in Nature unter dem Titel „Towards an Exact Description of Electronic Wavefunctions in Real Solids“ einen alternativenAnsatz vorstellt: FCIQMC heißt er. Die ersten drei Buchstaben stehen für „full configuration interaction“, d.h. es werden die Wechselwirkungen zwischen allen Elektronen berücksichtigt. Q steht schlicht für die große Übertheorie Quantenmechanik. Und MC ist die Abkürzung für Monte Carlo. Wer da an Spielsalons denkt, liegt nicht ganz falsch: Monte-Carlo-Methoden verwenden einen statistischen Ansatz.

Der große Vorteil dieser Methode ist laut Kresse, dass der Rechenaufwand nicht mehr exponentiell mit der Anzahl der betrachteten Teilchen wächst – den „Fluch Schrödingers“ nennt das Kresse –, sondern nur mehr polynomisch, also mit einer Potenz der Teilchenzahl. Gemeinsam mit Physikern in Cambridge hat er sie für ein einfaches System (LiH, Lithiumhydrid) überprüft. Die Ergebnisse sind ermutigend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2012)

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