Vögel hören Gesang anders als Menschen

(c) EPA (Frantzesco Kangaris)
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Weibchen lieben Lieder nur in der Paarungszeit. Männchen können fremde Gesänge nie leiden.

Auch (männliche) Vögel singen Lieder, und auch sie verbinden Gesang mit Gefühlen. Das ist keine Überraschung, Neurowissenschaftler der Emory University haben es nun durch Hirnmessungen an nordamerikanischen Vögeln, Weißkehlammern, gezeigt. Doch Pressemeldungen, die daraus ableiten, dass Mensch und Vogel im musikalischen Bereich fast gleich empfinden, übersehen die wirkliche Pointe dieser in den Frontiers of Evolutionary Neuroscience publizierten Arbeit: Weibchen hören männlichen Gesang gern (zumindest lesen die Forscher das aus der Aktivität in den Hirnzentren, die mit positiven Gefühlen zu tun haben), allerdings nur in den Paarungszeit. Und Männchen finden männlichen Gesang immer abstoßend, umso abstoßender, je mehr Testosteron sie im Blut haben. Sie hören daraus offenbar die Herausforderung eines Rivalen. Weiblichen Gesang können sie nicht schätzen, denn den gibt es nicht.

Von interesselosem Wohlgefallen an Musik, von purem ästhetischen Genuss kann bei diesen Singvögeln also kaum die Rede sein. Schon gar nicht von einem weiteren „Beweis“ dafür, dass der Mensch nichts als ein Tier unter vielen sei. In unseren Opern sitzen wohl nur sehr wenige Männer, die auf Arien von Tenören oder Bässen mit Abscheu reagieren. tk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2012)

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