Steuerbehörden: Macht und Vertrauen

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Neue Experimente sollen zeigen, wie die Macht von Steuerbehörden auf das Vertrauen der Steuerzahler und auf deren Ehrlichkeit wirkt.

Wie ehrlich sind Sie, liebe Leser, bei der Steuererklärung? Keine Bange, wir schicken keinen Steuerprüfer. Diese Frage wollen Wirtschaftspsychologen der Uni Wien um Erich Kirchler in einem FWF-Projekt beantworten. Genauer gesagt wollen sie wissen, ob die Macht, die von Steuerbehörden ausgeht, das Vertrauen der Steuerzahler beeinflusst. Und ob das Vertrauen in die jeweilige Behörde die Ehrlichkeit der Steuerzahler lenkt. „Wir konzentrieren uns auf zwei Faktoren der Macht“, sagt Eva Hofmann (Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft).

Das Erste, woran viele bei der Macht des Finanzamts denken, sind Kontrollen und harte Strafen, wenn man nicht ganz ehrlich war. „Dies ist die ,coercive‘ bzw. zwingende Macht“, so Hofmann. Die Forscher nehmen an, dass eine Steuerbehörde mit hoher zwingender Macht zwar eine hohe Steuerehrlichkeit hervorruft. Doch das Vertrauen in Steuerbehörden mit strengen Kontrollen und Strafen ist ambivalent zu sehen. „Wenn das Vertrauen sinkt, ist das für die Gesellschaft als Gesamtes schlecht“, so Hofmann.

Die zweite Variante, wie Steuerbehörden Macht ausüben, nennt sich „legitime“ Macht: Sie ist hoch, wenn die Behörde große Expertise aufweist, wenn Steuerzahler gut informiert werden, wenn man weiß, dass die Mitarbeiter regelmäßig geschult werden. „Eine hohe Transparenz zeugt von großer legitimer Macht“, sagt Hofmann. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Katharina Gangl und Maria Pollai plant sie eine Reihe von Experimenten, die zeigen sollen, wie sich die verschiedenen Arten von Macht auf das Vertrauen und die Ehrlichkeit auswirken.


Vertrauen abfragen. Einerseits werten sie Fragebögen aus, mit denen die niederländische Finanzverwaltung regelmäßig Informationen ihrer Steuerzahler einholt. „Dort wird dezidiert das Vertrauen abgefragt. Wir wollen dies erstmals anhand des Konzeptes von zwingender und legitimer Macht analysieren“, sagt Hofmann. Dieses Konzept wurde in der Politikwissenschaft und der Führungsforschung bereits analysiert, der neue Ansatz ist nun, dass man von den einzelnen Steuerzahlern wissen will, wovon das Verhalten beeinflusst wird.

„Freilich können wir nicht eine Steuerbehörde eines Landes herausgreifen, sondern werden die Studien allgemein anlegen“, erklärt Hofmann. So soll in Fokusgruppen mit selbstständigen Unternehmern geklärt werden, wie Strafen, Kontrollen, Service oder Hilfestellung der Behörden wahrgenommen werden.

Und als Herzstück des Projekts werden Laborexperimente mit unvoreingenommenen Teilnehmern durchgeführt. „Wir starten im März 2013 und wollen über 600 Probanden in unser Labor bitten“, so Hofmann. Das Kuriose an den Versuchen: Hier sollen keine Menschen getestet werden, die schon Erfahrungen mit bestimmten Finanzämtern haben. Denn wer bereits einmal Steuern gezahlt hat, kann sich schwer in eine Situation mit einer fiktiven Steuerbehörde hineinversetzen bzw. sich vorstellen, welche Macht man in einer fiktiven Situation wahrnehmen würde.

Daher rekrutiert das Team die Probanden an der Universität: Hier finden sich viele junge Menschen, die selbst noch nie eine Steuererklärung abgeben mussten. Sie werden an den Computer gebeten und lesen dort Beschreibungen verschiedener Steuerbehörden. Manche berichten von harten Strafen für Steuerhinterzieher, andere preisen das Fachwissen der Mitarbeiter an oder bieten hilfreiches Service und hohe Transparenz.

Die Probanden werden für den Zeitaufwand entlohnt – doch sie müssen von dem Geld, das sie verdienen, einen Teil an die fiktive Steuerbehörde abgeben. Die Probanden stellen sich dabei vor, sie wären selbstständige Steuerzahler, die für 40 Perioden – also bis zur Pension – von einem fiktiven Einkommen ihre Abgaben leisten müssen. Ausgezahlt bekommen die Probanden nur jenen Prozentsatz des Stundenlohns, den sie nicht als Steuer ans „Finanzamt“ überwiesen haben.

Je nach Studiendesign werden dann mehr oder weniger harte Kontrollen durchgeführt: Manch einer kann unehrlich sein und sein Geld am „Finanzamt“ vorbeischummeln, einem anderen blüht nach einer Kontrolle vielleicht eine Nachzahlung und Strafe. „Als Ergebnis dieser Studien wollen wir ein wissenschaftliches Instrument schaffen, das Vertrauen messbar macht. Die meisten Steuerzahler, das zeigen alle bisherigen Versuche, sind ohnehin sehr ehrlich“, weiß Hofmann. Dies liegt u.a. an der Wahrnehmung von Fairness und sozialen Normen.

„Unsere Daten sollen erstmals zeigen, wie zwingende und legitime Macht die Ehrlichkeit beeinflussen“, erklärt Hofmann. Dies könnte in Folge ein Hinweis für reale Steuerbehörden sein, durch welche Maßnahmen das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen – oder verspielt – werden kann.

Verschiedene Formen von Macht

Das Projekt des Instituts für Angewandte Psychologie der Uni Wien läuft ab 2013 über drei Jahre und wird vom FWF mit 370.000 Euro gefördert. Es werden eine Postdoc- und eine Dissertationsstelle in Wien vergeben. Die Forscher rund um Eva Hofmann, Erich Kirchler u.a. kooperieren mit der Universität Wageningen und der Finanzverwaltung in den Niederlanden, außerdem mit Ökonomen der Universität Trento in Italien.

Durch neue Versucheund Analysen bereits existierender Fragebögen, wollen die Forscher Auswirkungen verschiedener Machtformen erkunden: Zahlen die Bürger
ihre Steuern ehrlicher, wenn die Steuerbehörde als hart und strafend bekannt ist („zwingende Macht“) oder wenn das Finanzamt gutes Service, Expertise, Beratung und Transparenz bietet („legitime Macht“)?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2012)

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