Macht das Magnetfeld das Klima?

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Die umstrittene Hypothese findet Bestätigung in der Erdgeschichte: Als das Magnetfeld der Erde sich umpolte und schwächer wurde, sanken die Temperaturen.

Vor 1.076.000 Jahren wurde es kühler auf der Erde, obwohl gerade eine Zwischeneiszeit auf ihrem Höhepunkt war, vor 783.000 Jahren geschah das Gleiche wieder, die Temperaturen sanken um drei Grad, global, Sedimente haben es archiviert, von Südamerika über Italien und den Baikalsee bis nach Japan. Und dort, in Bohrkernen der Bucht von Osaka, hat eine Gruppe um den Erdwissenschaftler Ikuko Kitaba (Kobe) nun neuen Zündstoff für die heißeste Debatte der letzten Jahre gehoben: darüber, wer das Klima der Erde macht, die Chemie – die der Atmosphäre mit den Treibhausgasen, auch mit den anthropogenen –, oder die Physik (Pnas, 7. 1.).

Letztere schlägt den ganz großen Takt: Die Eiszeiten kommen und gehen mit der Himmelsmechanik, ihre langen Zyklen – etwa des Abstands der Erde von der Sonne und des Neigungswinkels der Erdachse – bestimmen darüber, wie viel Energie von der Sonne zur Erde kommt. Aber das sind regelmäßige Zyklen von Tausenden von Jahrzehnten bzw. Jahrhunderten, bei kürzeren und unregelmäßigen Klimaschwankungen reagiert die Atmosphärenchemie. Nur sie? 1601 bemerkte der Astronom William Herschel, dass die Weizenpreise in England immer dann stiegen, wenn die Sonne wenige Flecken hatte. Er interpretierte es so, dass eine Sonne mit wenigen Flecken weniger aktiv ist und weniger Energie schickt, dann sinken automatisch die Ernteerträge und der Weizen wird teurer.

Kosmische Strahlung macht Wolken

Obwohl Herschel sehr renommiert war, erntete er Spott und Hohn. Aber dann kam das „Maunder-Minimum“: Von 1645 bis 1715 hatte die Sonne überhaupt keine Flecken, und das fiel mit einer besonders kalten Periode der Kleinen Eiszeit zusammen. Konnte dahinter eine Kausalität stehen, und wenn ja, welche? Die Änderungen der Sonnenaktivität sind viel zu gering, um direkt irgendetwas zu bewirken, es braucht Verstärkermechanismen. Einer wurde 1997 vom dänischen Physiker Henrik Svensmark postuliert, er läuft über Wolken und kosmische Strahlung. Letztere besteht aus hochenergetischen  Teilchen, die bei kosmischen Gewaltakten entstehen – etwa bei der Explosion von Supernovae – und unentwegt auf die Erde einprasseln. Glücklicherweise werden sie abgefangen, vom Magnetfeld der Erde und vom Sonnenwind, der besteht aus Teilchen, die die Sonne ständig, aber in schwankender Stärke emittiert.

Ist sie gerade bei Kräften und schickt starken Wind, fängt er viel kosmische Strahlung ab. Wenn nicht, dann nicht: Dann kommt viel kosmische Strahlung in die Atmosphäre und bildet dort durch Kollision mit Molekülen Kristallisationskerne für Wolken. Die reflektieren mehr Sonnenlicht, es wird kühler auf der Erde. So die Hypothese, sie ist seit Beginn hart umkämpft, passt für manche Zeiten und für andere nicht, und die ersten Befunde einer experimentellen Prüfung verbuchen beide Seiten für sich, Klimabesorgte und Erwärmungsskeptiker (siehe Kasten). Wie kann man es klären?

Magnetfeld moduliert kosmische Strahlung

Die Japaner haben einen überraschenden Weg gefunden, der allerdings alles noch komplizierter macht: Sie haben sich nicht auf den Sonnenwind konzentriert, sondern auf das Magnetfeld der Erde, auch das fängt ja kosmische Strahlung ab. Und auch dieses hat große Rhythmen, dreht von Zeit zu Zeit seine Richtung um, dann wird der magnetische Nordpol zum Südpol. Während der Umpolung schwächt das Magnetfeld sich ab, stark, um 40 Prozent, in der gleichen Größenordnung erhöht sich dann das Eindringen der kosmischen Strahlung in die Atmosphäre (das haben die Forscher zumindest der Einfachheit halber angenommen, es ist eine Übersimplifikation, zudem wird eben die Aktivität der Sonne nicht mitbeachtet).

Diese Umpolungen sind in den Sedimenten der Bay von Osaka archiviert – anderswo auch –, dort lagern zudem Klimazeugen, die etwa zeigen, ob die Bucht gerade mit Salzwasser gefüllt war oder mit süßem. War sie voll Salzwasser, war der Meeresspiegel hoch, und wenn der hoch ist, herrscht eine Warmzeit, dann ist wenig Wasser im Eis der Gletscher gebunden. Die gleiche Auskunft erteilen Pollen: Vor 1.076.000 und 783.000 Jahren war es warm. Aber eben dann polte das Magnetfeld sich um – in der Matuyama-Brunhes- bzw. der Lower-Jamarillo-Umkehrung –, es wurde temporär schwächer, und die Temperaturen sanken für 5000 Jahre.

Wolken im Labor: CLOUD

Der Beschleuniger des CERN in Genf, der die Higgs-Detektoren mit Teilchen versorgt(e), speist(e) auch ein viel kleineres und vorderhand unspektakuläres Experiment, in dem getestet wird, ob kosmische Strahlung zur Wolkenbildung beiträgt. Es trägt den schönen Namen CLOUD (Cosmics Leaving Outdoor Droplets) und schießt hochenergetische Protonen – wie sie auch in kosmischer Strahlung sind – in eine Kammer, in der höchst reine Luft mit den Molekülen versehen ist, die beim Aufprall von kosmischer Strahlung möglicherweise zu Kristallisationskernen für Wolken werden: Wasserdampf, Schwefeldioxid, Ozon und Ammoniak. In der ersten Experimentrunde 2011 bildeten sich Partikel, aber als Kristallisationskerne wären sie zu klein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2013)

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