Auch die Herren Professoren sind vor Betrug nicht gefeit

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Wissenschaftliches Fehlverhalten begehen vor allem Männer, und das nicht nur, wie lange vermutet, am Beginn ihrer Karrieren.

Wenn ein Forscher den weißen Kittel überstreift, dann hat das vor allem symbolische Bedeutung: Alles Subjektive wird überdeckt, es geht ausschließlich um die Sache, das hat schließlich jeder bei der Promotion geschworen: Der Wahrheit werde man das Leben weihen und nur ihr. Aber dann kommt der Alltag mit seinen Versuchungen und Zwängen, dann wird gelogen und betrogen, in großem Stil: Ein Drittel der Forscher im Medizinbereich bekannte sich in einer Umfrage von „Nature“ 2005 dazu, schon einmal in irgendeiner Weise wissenschaftliches Fehlverhalten („misconduct“) betrieben zu haben: 0,5 Prozent hatten Daten erfunden, 21,8 Prozent unliebsame Daten unterdrückt, 7,4 Prozent hatten bei anderen abgeschrieben („Plagiat“), noch mehr bei sich selbst („Autoplagiat“ für mehrfache Publikationen des Gleichen).

Das Problem ist alt, aber es verschärft sich, das zeigte Arturo Casadevall (New York) im Vorjahr: Er hatte die Zahlen der Publikationen ausgewertet, die seit 1977 zurückgezogen werden mussten, es waren insgesamt 2047. In 21,3 Prozent waren irgendwelche Irrtümer der Grund – die hatte man zuvor für die Hauptursache gehalten –, bei 67,4 Prozent hingegen ging es um misconduct, und dessen ärgste Fälle, die des Betrugs, haben sich seit 1975 verzehnfacht.

Warum Männer? „Wir wissen es nicht!“

Nun ist Casadevall den nächsten Schritt gegangen und hat nachgesehen, wer betrügt: Es sind überwiegend Männer – 65 Prozent, das ist weit überrepräsentativ, aber nicht weiter erstaunlich, Männer beherrschen alle Kriminalitätsstatistiken –, und zwar auch schon etablierte. Das allerdings ist eine Überraschung: Bisher ging man davon aus, dass mit Fehlverhalten die ersten Sprossen der Karriere erklommen werden, der Druck auf die Jungen – „publish or perish!“ – ist groß. Aber die Zahlen des in den USA zuständigen Office of Research Integrity zeigen ein gemischtes Bild: 16 Prozent der 215 analysierten Betrugsfälle entfielen auf Doktoranden, 25 Prozent auf Postdocs, 32 Prozent auf etabliertes Forschungspersonal, der Rest auf Techniker etc. (mBio, 22.1.). „Das Problem zieht sich durch die ganze Karriere“, schließt Casadevall, und dafür hat er eine Erklärung: Nicht nur der Einstiegskampf ist hart, auch und gerade wer schon etabliert ist, braucht Geld für die dann von ihm geleitete Gruppe. Das Überwiegen der Männer hingegen ist für den Forscher rätselhaft: „Männer nehmen eher Risken auf sich, es kann auch sein, dass sie eher in Konkurrenz gehen, oder dass Frauen sensibler auf die erwartbaren Sanktionen reagieren. Ich glaube, die beste Antwort ist die, dass wir es einfach nicht wissen.“ jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2013)

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