Wie DNA-Regler sichtbar werden

DNARegler sichtbar werden
DNARegler sichtbar werden(c) AP (THOMAS KIENZLE)
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Bei vielen Teilen der DNA ist unklar, welche Funktion sie haben. Wiener Forscher haben nun Abschnitte identifiziert, die für die Steuerung der Genaktivität wichtig sind.

Die Gene von Menschen und Schimpansen sind zu 96 bis 99 Prozent identisch. Der gewisse Unterschied zwischen uns und den Affen liegt nicht in den Genen (das sind alle DNA-Abschnitte, die als Vorlage für die Proteinproduktion dienen), sondern in den DNA-Teilen rundherum, die u.a. als Regulatoren fungieren. Früher wurden die „nicht kodierenden“ Teile des Genoms (beim Menschen an die 95 Prozent) als „Müll“ („Junk-DNA“) bezeichnet, man erkannte nicht, dass es genau auf diese Abschnitte ankommt, welche der Gene (beim Menschen rund 23.000) an- und abgeschaltet sind.

Erst lange nach der Entdeckung der Gene wurde die Bedeutung der Gen-Regulation durch nicht kodierende DNA klar: Sie sichern, dass z.B. in einer Leberzelle nur jene Gene aktiv sind, die in der Leber wichtig sind, und in Muskelzellen jene, die Muskelproteine bilden – obwohl die DNA-Sequenz ja im ganzen Menschen bis ins letzte Haar identisch ist. Auch eine Raupe und der daraus entstehende Schmetterling sind von den Genen her identisch, es sind nur unterschiedliche Gene an- bzw. abgeschaltet.

„Wenn mit dieser Regulation etwas schief läuft, kann die Zelle ihre Funktion nicht mehr erfüllen“, erklärt Alexander Stark vom Institut für Molekulare Pathologie in Wien (IMP). Sogar Krebs kann durch eine falsche Schaltung der DNA-Regulierer entstehen. Daher haben sich in den letzten Jahren immer mehr Wissenschaftler auf die Untersuchung dieses „genetischen Mülls“ spezialisiert, in dem auch die regulatorischen Schalter, sogenannte „Enhancer“ (Verstärker), liegen.

Doch es gab ein Problem: „Wir wissen nicht genau, wie diese Verstärker aussehen, welche Abfolge von Basenpaaren diese Verstärker kennzeichnen. Und weil man nicht weiß, wie sie aussehen, findet man sie nicht bei der computergestützten Genom-Analyse. Um zu erforschen, wie sie aussehen, müsste man sie aber kennen. Das ist ein Teufelskreis“, sagt Stark. Bisher hat man einen indirekten Weg versucht: Man hat geraten, wo die Verstärker sitzen und das getestet. So fand man einige. „Aber bei drei Milliarden Basenpaaren beim Mensch bzw. 150 Millionen Basenpaaren bei der Fruchtfliege kann man durch Zufall nicht alle finden“, sagt Stark. Ein weiterer indirekter Weg, die lebenswichtigen Verstärker zu finden, war, nach Transkriptionsfaktoren oder nach Veränderungen des Chromosomenbausteines Chromatin zu suchen, die genau dort zu finden sind, wo ein Verstärker gerade aktiv ist. Doch damit fand man ebenfalls nicht alle Verstärker – und man konnte ihre Aktivität nicht erfassen.


Magisches Mikroskop. Gemeinsam mit Stark – Träger eines ERC-Starting Grants – haben nun der Dissertant Cosmas Arnold und der Bioinformatiker Daniel Gerlach eine neue Methode entwickelt, wie man erstmals die gesamten Verstärker eines Genoms sichtbar machen kann. „Das wirkt wie ein magisches Mikroskop, das die regulatorischen DNA-Abschnitte sichtbar macht“, sagt Stark. Der Trick ist, dass man die Zellen so anregt, dass die Verstärker sich selbst verstärken statt der Gene, für die sie zuständig sind. So wird mit einem Schlag erkennbar, welche Verstärker im gesamten Genom vorhanden sind und wie stark diese auf die ihnen zugeordneten Gene wirken.

Damit wurde erstmals die Vermutung bestätigt, dass alle Gene nicht nur von einem Verstärker, sondern von mehreren gleichzeitig gesteuert werden – eine Art Sicherheitsfunktion, die die Gensteuerung störungsunabhängiger macht. „Begonnen haben wir in der Fruchtfliege, doch nun untersuchen wir verschiedene Zellkulturen von menschlichem Gewebe: Damit zeigen wir, welche nicht kodierenden Unterschiede zwischen Nerven-, Muskel-, Leber- und anderen Zellen bestehen“, so Stark. Seit der Veröffentlichung der Methode in Science Express (online 17.1.) kamen schon erste Anfragen ans IMP, und es scheint, als ob die Analyse der Verstärker ein ähnlicher Boom werden könnte wie die Genanalysen vor 15 Jahren. Denn genau an diesen Abschnitten erkennt man erst, warum welches Gen zu viel oder zu wenig aktiviert wird, warum Krankheiten wie Krebs entstehen und vieles mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2013)

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