Mäuse stehen nicht sehr gut Modell für unsere Leiden

(c) EPA (Everett Kennedy Brown)
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Die Nutzung von Tiermodellen bei der Entwicklung von Medikamenten oder Behandlungsmethoden hat bisher weniger Erfolge gebracht als vermutet.

„Bis zum heutigen Tag hat es fast 150 klinische Tests für mögliche Medikamente gegen Entzündung bei schwerst kranken Patienten gegeben, und jeder einzelne dieser Tests ist gescheitert.“ Diese Bilanz zieht die Ärztegruppe um Shaw Warren (Harvard Medical School), und sie will sich nicht länger damit abfinden, deshalb lenkt sie den Blick auf die Vorgeschichte der Medikamententests an Menschen: Alle geprüften Substanzen hatten zuvor durch jene Hoffnungen geweckt, die Modell stehen sollen für den Menschen: die Mäuse (und andere „Tiermodelle“).
Die werden in unübersehbarer Zahl eingesetzt – in den USA geschätzte 15 bis 20 Millionen im Jahr –, sie haben alle erdenklichen Krankheiten des Menschen, oder diese wurden ihnen gentechnisch eingebaut. Beim Googeln stößt man etwa auf das Jackson Laboratory in Maine: Es bietet 2700 verschiedene Mäuse an, vom Modell für Gebärmutterkrebs über das für Diabetes bis zu dem für Epilepsie. Zwei Millionen Tiere hat man allein 2002 verkauft, davon viele an die Pharmakologie, die kann ja mit möglichen Medikamenten nicht gleich an Menschen.
Aber was hat eine Maus, wenn sie Epilepsie hat? Erste starke Zweifel an der Übertragbarkeit von Befunden von der Maus auf den Menschen kamen 2006: Eine Gruppe um Daniel Hackam (Toronto) hat führende Wissenschaftszeitschriften auf die wichtigsten Publikationen von Tierversuchen – alle die, die über 500-mal zitiert wurden  – durchgemustert: Von den pharmakologisch relevanten wurde ein Drittel später auf Menschen umgelegt, und davon wurde aus einem Zehntel ein Medikament oder eine Behandlungsmethode (JAMA, 296, S. 1731).

„Man muss Dürftiges erwarten“


Das ist nicht üppig, es ist zudem durch den „publication bias“ verzerrt: Tierversuche mit negativem Ausgang werden kaum veröffentlicht. „Patienten und Ärzte sollten auch bei hochrangiger Forschung an Versuchstieren vorsichtig sein beim Extrapolieren auf Menschen“, schloss Hackam: „Man muss eine dürftige Wiederholbarkeit erwarten.“
Am dürftigsten sind sie offenbar im Feld der Entzündungen, die etwa durch schwere Verletzungen durch äußerliche Gewalt (Trauma) hervorgerufen werden können oder durch Verbrennungen, auch durch Bakteriengifte. Sie alle bringen das Immunsystem zu Fehlreaktionen, und das wirkt sich auch auf andere Gene aus: Diese Entzündung geht einher mit einem „genetischen Sturm“, der tausende Gene im ganzen Körper beeinflusst, manche werden aktiver, andere weniger aktiv. Und wenn man Mäuse dafür Modell stehen lassen will, dann reicht es nicht, wenn sie die gleichen Symptome zeigen, sondern dann muss man sicher sein, dass sich bei ihnen auf der Ebene der Gene das Gleiche abspielt wie bei den Menschen, oder zumindest Ähnliches.
„Bis zum heutigen Tag gibt es keine Studien, die auf der molekularen Ebene systematisch evaluieren, wie gut Mäusemodelle menschliche Entzündungskrankheiten imitieren“, kritisiert Warren. Er hat es nachgeholt, hat Opfer von Verbrennungen und Traumata und Freiwillige, die die Bakterientoxine schluckten, verglichen mit Mäusen, denen das Gleiche angetan wurde.

Völlig anderer Entzündungsverlauf


Und zwar mit drei verschiedenen Mäusesträngen: Bei Menschen war der Genomsturm in allen drei Fällen ähnlich. Aber bei den Mäusen war er ganz anders als bei den Menschen – und auch zwischen ihren drei Strängen zeigte sich ein höchst unterschiedliches Bild. Zudem waren die Verläufe der Entzündung und ihre Dauer bei den Mäusen völlig anders (Pnas, 11. 2.).
Das verwundert nicht sehr: „Man hat offenbar vergessen, dass Mäuse viel widerstandsfähiger auf Entzündungen und Infektionen reagieren“, schließt Warren: „Deshalb sind solche Tiermodelle dürftig. Man sollte mehr mit Menschenmodellen arbeiten, etwa mit Zelltypen oder Geweben von ihm.“

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