Psychopharmaka (im Abwasser) machen Fische verrückt

Psychopharmaka Abwasser machen Fische
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Medikamente, die aus unserem Körper in die Umwelt kommen, wirken dort auch: Eines nimmt, wie uns, Barschen die Angst.

Was in uns hineingeht, geht in großen Teilen auch wieder hinaus, unverändert. Das ist natürlich eine Banalität, die machte aber keine Sorgen, bis in den USA in den 60er-Jahren in Vorflutern – das sind die Gewässer unterhalb von Kläranlagen – etwas auffiel: Östrogene aus der Antibabypille. Die zeigten später andernorts ihre Folgen: In den Vorflutern Berlins verweiblichten männliche Fische ein Stück weit – sie produzierten Vitellogenin, die Vorstufe von Eidotter –, in den Vorflutern von Lissabon zeigte sich nichts, das lag daran, dass in der streng katholischen Stadt die Pille tabu war.
Andere Medikamente wurden dort schon genommen, und in den 90er-Jahren zeigte sich weltweit in vielen Flüssen ein breites Sortiment, von Herzmitteln bis zu Psychopharmaka. Sie alle gehen zu 30 bis 90 Prozent ungenutzt durch den Körper, und in der Umwelt werden sie langsam abgebaut, gerade Psychopharmaka sind daraufhin konstruiert, dass sie lange halten. Manche dieser Medikamente wirken dann als „Umwelthormone“ bzw. „endokrine Disruptoren“: Sie sind zwar keine Sexualhormone wie Östrogen, aber sie haben die gleichen Effekte, verweiblichen das Leben im Wasser.

Angstlöser macht unvorsichtig


Aber andere wirken auch bei Fischen dort, wo sie bei Menschen wirken sollen, im zentralen Nervensystem. Das hat man lange vermutet, nun wurde es von einer Gruppe um Thomas Brodin (Umea, Schweden) erstmals im Experiment gezeigt, an Flussbarschen: Die wurden Oxazepam ausgesetzt – einem angstlösenden Wirkstoff –, und zwar in Dosen, wie sie sich in Gewässern in Schweden finden. Die Fischgehirne reagierten rasch: „Für gewöhnlich sind Flussbarsche scheu und jagen nur gemeinsam, in Schulen, das ist ihre Überlebensstrategie“, berichtet Brodin: „Aber in Wasser mit Oxazepam verlieren sie die Furcht, verlassen die Schulen und suchen allein nach Futter.“ (Science, 339, S. 814)
Das bringt sie in Gefahr, aber das ist nicht die einzige Gefahr für das Ökosystem, diese Tiere ändern auch ihr Fressverhalten. So kann ein einziges Medikament wirken, über den ganzen Cocktail – in Europa werden derzeit etwa 3000 Medikamente verwendet – weiß man nichts. Sicher ist nur, dass es in der EU – und auch in Österreich – keinerlei Grenzwerte für Medikamente im Wasser gibt, sei es Ab- oder Trinkwasser.

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