Cold Case im größten Spionagefall der Monarchie

Cold Case groessten Spionagefall
Cold Case groessten Spionagefall (Clemens Fabry)
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Vier Sieger: Die Wissenschaftsbücher 2013 reichen vom Spionagefall bis zum Energieproblem.

Verena Moritz wurde in den Moskauer Archiven fündig: Da fand sie den Namen eines russischen Gardeoffiziers, der als Bezugsperson für Oberst Alfred Redl geführt wurde. Moritz, die an der Uni Wien Geschichte und Russisch studiert hatte, glich den Gardeoffizier mit dem aus den Quellen bekannten Gegenüber Redls ab – und fand eine fast hundertprozentige Deckungsgleichheit. Diese Entdeckung gab den Ausschlag, gemeinsam mit dem Mitarbeiter des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, Hannes Leidinger, das Buch „Oberst Redl. Der Spionagefall, der Skandal, die Fakten“ (320S., 24,90€, Residenz Verlag) zu verfassen. Das Redl-Buch war in der Sparte Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften der Gewinner im Wettbewerb „Wissenschaftsbuch 2013“.

Bei der Preisverleihung am vergangenen Dienstag erklärten die beiden Redl-Autoren, sie hätten nach dem Motto „Cold Case“ den Spionagefall neu aufgerollt und zudem auch in London und Paris neue Zeugnisse entdeckt. Freilich, so gestanden Moritz und Leidinger ein, fehlen immer noch Akten, vermutlich wurden viele bewusst vernichtet – wollte doch die österreichische Militärführung den für sie blamablen Verrat wichtiger militärischer Details an Russland, Italien und Frankreich vertuschen. Dass ein Jahr nach der Aufdeckung der Erste Weltkrieg ausbrach, konnte man 1913 noch nicht wissen. Auch Redl konnte nichts zur Aufklärung beitragen, er wurde sofort zum Selbstmord genötigt.

Themenwechsel zum Bereich Medizin und Biologie: Hier trug der Verhaltensforscher Kurt Kotrschal mit „Wolf – Hund – Mensch. Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung“ (208S., 22,50€, Christian Brandstätter Verlag) den Sieg davon. Er sehe den Wolf „als Spiegelbild des eigenen Wesens“, sagt Kotrschal, der mit zwei Kolleginnen das Wolf-Hund-Forschungsprojekt in Ernstbrunn, Niederösterreich, leitet. In der Jahrtausende zurückreichenden Beziehung sei der Wolf einmal als geachteter Bruder, dann aber als erbitterter Gegner gesehen worden. Der Wolf und später der Hund hätten stets die menschliche Kulturentwicklung begleitet.

Im Bereich Naturwissenschaften und Technik landete das Buch „Energien der Zukunft“ (192S., 41,10€, Primus Verlag) an der ersten Stelle. Vier Autoren stellen die Frage nach der Energiewende, sie gehen auf die Energiequellen Sonne, Wind, Wasser und Biomasse ein. Das Buch enthält nicht nur Text, sondern auch Berechnungsmodelle und Formeln, ist somit für Schüler, Studenten und auch für Fachinteressierte konzipiert, sagt Markus Dannenberg, einer der Autoren und Wirtschaftsprofessor aus Darmstadt.

Ein äußerst prominenter Autor gewann die Kategorie Junior Wissensbücher: Claudio Abbado mit „Meine Welt der Musik“ (48S., 17,50€, Knesebeck). Er wollte bei Jugendlichen die Neugier auf Musik wecken, schrieb Abbado, der nicht zur Preisverleihung kommen konnte. „Und zudem lehrt uns die Musik die Wichtigkeit des Zuhörens.“

Im Herbst 2013 startet die nächste Jury- und Publikumswahl zum Wissenschaftsbuch des Jahres.

DIE WAHL

2012/13
wurde die Wahl der „Wissenschaftsbücher des Jahres“ zum sechsten Mal durchgeführt. In den vier Sparten Medizin/Biologie, Naturwissenschaft/Technik, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften sowie Junior Wissensbücher wird je ein Sieger ermittelt.

Eine Jury
(Pädagogen, Elternvertreter, Journalisten) ermittelt in jeder Sparte eine Shortlist, dann folgt die Abstimmung durch das Publikum (Leser, Kunden der Buchhandlungen).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2013)

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