Können induzierte Stammzellen Blinde sehen machen?

(c) AP (Andre Penner)
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Die Hoffnungsträger der Medizin werden erstmals getestet, in Japan, wo sie auch entdeckt wurden. Zu früh, mahnen Kritiker.

Sieben Jahre, nachdem Shinya Yamanaka (Kyoto) die jüngsten großen Hoffnungsträger der Medizin aus der Retorte zog, sollen sie nun, wieder in Japan, erstmals zeigen, was sie können. Sie? Sie heißen „induzierte pluripotente Stammzellen“ – iPS –, und man kann sie aus jedem Körpergewebe gewinnen. Etwa aus Hautzellen, die man mit einigen Genen dazu bringt, ihre Spezialisierung – eben zu Hautzellen – wieder rückgängig zu machen und zu undifferenzierten Zellen zu werden, aus denen sich dann wieder alle spezialisierten Zellen ziehen und als Transplantatgewebe verwenden lassen. Mit diesen „reprogrammierten“ Zellen hätte man ein Pendant zu den embryonalen Stammzellen (ES), die das Gleiche können, aber ethische Probleme bringen, weil zu ihrer Produktion Embryos erst erzeugt und dann zerstört werden müssen.

Zudem hätten iPS – theoretisch – den Vorteil, dass sie vom späteren Empfänger des Transplantats selbst stammen, also vom Immunsystem nicht abgewehrt würden. Ob diese Hoffnung hält, ist nicht klar, unter anderem zu ihrer Überprüfung will Masayo Takahashi, Ophthalmologin der Universität Kobe, mit iPS erstmals an Menschen gehen, und zwar an die Augen, bei Makuladegeneration. Sie trifft ein Prozent aller Menschen über 50, und sie führt dadurch oft zum Erblinden, dass Blutgefäße in die Netzhaut einwachsen und deren Zellen zerstören. Die sollen nun aus iPS gezogen und implantiert werden.

Das ganze Feld hängt an dem Experiment

„Das ganze Feld ist von dieser Gruppe und den japanischen Regulierungsbehörden abhängig“, erklärt Martin Pera, iPS-Forscher in Melbourne: Es ist der erste Versuch, er gilt noch nicht der Heilung, er gilt der Sicherheit. Er darf nicht schiefgehen. Er könnte es aber, ein Risiko der iPS bzw. der daraus gezogenen Zellen liegt darin, dass sie außer Kontrolle geraten und sich zu Krebs auswachsen könnten. Deshalb warnt ein anderer Avantgardist des Feldes der Stammzellen, Mario Lanza von der Firma ACT in Santa Monica, vor dem Test, er hält ihn für verfrüht.

Natürlich warnt er nicht nur deshalb, er kocht auch sein eigenes Süppchen: Lanza will selbst in Tests, allerdings in weniger risikoreiche: Er will zunächst rote Blutzellen aus iPS ziehen, die haben keinen Zellkern, bei ihnen droht keine Tumorgefahr (Naturenews, 27.2.). Der Test wird vermutlich trotzdem im Herbst beginnen, Takahashi hat die Freigabe ihrer Universität und will demnächst beim japanischen Gesundheitsministerium anklopfen, das ist die zuständige Behörde. Und ihre Zustimmung erscheint als sicher, da die japanische Regierung die Forschung an iPS mit großem Aufwand unterstützt. jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2013)

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