Mysteriöse Aale im Pazifik

Mysterioese Aale Pazifik
Mysterioese Aale Pazifik(c) EPA (PIYAL ADHIKARY)
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Bis heute konnte niemals in der Natur beobachtet werden, wie sich Aale vermehren. Erstmals werden nun aber die unerforschten tropischen Arten mit Sendern versehen, um zu entdecken, wohin sie die Wanderung zu Laichplätzen führt.

Es ist quasi die Suche nach dem „Heiligen Aal“. „Wer den Laichplatz der Aale findet, findet den Heiligen Gral“, sagt Robert Schabetsberger, Zoologe der Uni Salzburg. Der Laichplatz der Europäischen Aale wurde 1922 von Johannes Schmidt entdeckt, er wurde dadurch weltberühmt. Damals fand man, dass der Europäische Aal bis zu 5000Kilometer durch den Atlantik wandert, bevor er sich (wahrscheinlich) in der Sargassosee südlich der Bermuda-Inseln zum Paaren und Laichen trifft. Mit Satellitensendern versehene geschlechtsreife Aale schwimmen jedenfalls in diese Richtung. Was dort genau passiert, weiß niemand. Bis heute hat kein Mensch jemals live beobachtet, wie sich Aale im Meer vermehren. Die jungen Aallarven wandern vermutlich drei Jahre lang zurück zu den Süßgewässern in Europa.

Auch von den restlichen 18 Aalarten ist fast nichts über ihre Wanderungen und Laichplätze bekannt. „Durch Verbauungen, Fischerei und chemische Verschmutzung ist der Europäische Aal bereits auf der Roten Liste, der Japanische Aal ist ebenfalls am Verschwinden“, sagt Schabetsberger. Da die Nachfrage nach Aal aber weiter steigt, erhöht sich der Druck auf die gänzlich unerforschten Aale, die in Gewässern auf kleinen pazifischen Inseln leben.

Diese sind doppelt so groß wie Europäische Aale und daher beliebte Beute von Fischern. „Um Pazifische Aale zu managen, muss man erst ihre Biologie verstehen.“ Schabetsberger und ein internationales Team wollten vergangenes Jahr erstmals diese mysteriösen Aale auf einer Insel im Südpazifik mit Sendern bestücken. Den Aalexperten gelang es bis zum vorletzten Tag der Expedition aber nicht, die richtigen Fische zu fangen: Erst durch ein „Kopfgeld“ auf Aale beteiligte sich die lokale Bevölkerung, die flugs einige Aale im richtigen Alter aus dem Fluss fing, woraufhin die Sender doch noch montiert werden konnten.

Viele der vulkanischen Inseln im Südpazifik haben in der Mitte einen Krater, der mit Süßwasser gefüllt ist: Dort leben viele Aale. Der größte und tiefste der Seen ist der Lake Letas auf Gaua im Inselstaat Vanuatu östlich von Australien. Ein perfekter Platz zum Forschen: „Es kommen drei pazifische Aalarten vor, sie sind gut genährt, da der Vulkan das Gewässer düngt und es reichlich Beute gibt. Und es gibt nur einen Abfluss in Richtung Meer, aus dem man die Tiere fischen kann.“

Dieser Fluss beginnt mit einem 120Meter hohen Wasserfall, über den sich die Silberaale hinunterstürzen und in Richtung Meer wandern. Sie heißen so, weil Aale zur Wanderung ihre Farbe von Braun auf Silber wechseln (bessere Tarnung im Meer). Noch völlig ungeklärt ist, wie die Jungtiere den See besiedeln: Wahrscheinlich klettern die kleinen Larven über feuchte Moospolster neben dem Wasserfall hinauf.


Großes Risiko. Im offenen Meer kann man die Silberaale jedenfalls nur durch moderne Satellitensender verfolgen. Freie Beobachtung ist bei den Schnellschwimmern unmöglich. Sieben Sender (à 4000 Dollar) wurden in Gaua an drei Arten montiert, die Finanzierung übernahm die Akademie der Wissenschaften (ÖAW): „Es war ein großes Risiko, es hätten auch alle sieben Aale von Haien gefressen werden können“, so Schabetsberger. Doch sie hatten Glück: Fünf Sender lieferten Daten. Die (tischtennisballgroßen) Geräte haften drei Monate lang am Fisch und sammeln alle 15 Minuten Informationen zu Wassertiefe, Temperatur und Lichtstärke. Dann lösen sie sich vom Tier und steigen auf. Erst an der Wasseroberfläche können sie die Daten an ein Netz von Satelliten senden. Am weitesten schleppte ein Aal der Art Anguilla marmorata den Sender mit: 850Kilometer zum westwärts fließenden Südäquatorialstrom. „Nun kennen wir die Richtung: Das ist immer noch nicht der Laichplatz, aber nur 330 Kilometer entfernt davon hat man die kleinsten Aallarven gefunden“, so der Biologe.

Wo genau im Westpazifik die Laichplätze der Aalarten sind, soll eine Expedition klären, die diese Woche startet: Die neuen Sender (14 Stück) haften fünf Monate lang an den Fischen. Hoffentlich reicht die Zeit, um den Jackpot zu knacken. „Wahrscheinlich gibt es unterschiedliche Laichplätze für unterschiedliche Populationen.“ Beim kommenden Aufenthalt auf Gaua sollen auch modernere Netze, Reusen und Fangtechniken eingesetzt werden: „Denn die Aale, die uns die Fischer vor Ort brachten, waren teils verletzt. Und einen 4000-Dollar-Sender hängt man nicht gern an verletzte Tiere.“

Das beste Ergebnis der letzten Auswertung war, dass man die täglichen Vertikalwanderungen, die von Europäischen Aalen bekannt sind, bestätigen konnte: Tagsüber tauchten die Fische bis zu 850 Meter tief, nachts kamen sie auf 200 Meter hinauf (Marine Ecology Progress Series, 475, S. 177). „In der Tiefe hat es fünf, sechs Grad: Bei diesen Temperaturen können sich die Aale, wenn überhaupt, nur mehr langsam bewegen“, sagt Schabetsberger. Vermutlich gehen die Pazifischen Aale an ihre körperlichen Grenzen, um Fressfeinden auszuweichen: Haie, Schwert- und Thunfische sind visuelle Räuber. Schwimmen die Aale im dunklen Dämmerlicht (tags tief, nachts höher) können sie von den Raubfischen schlecht erkannt werden. „Dazu passt auch, dass die Aale in hellen Vollmondnächten um 60 Meter tiefer schwimmen als bei Neumond.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2013)

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