Sommerzeit? „Wie eine Versetzung nach Marokko!“

Zeitumstellung auf Sommerzeit
Zeitumstellung auf Sommerzeitdpa-Zentralbild/Patrick Pleul
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In der Nacht von Samstag auf Sonntag muss wieder an den Uhren gedreht werden. Wie herum? Und warum überhaupt?

Wenn sich zweimal im Jahr die Frage der Fragen stellt – muss man nun in der Nacht auf Sonntag die Uhr eine Stunde vorstellen oder eine zurück? –, dann konnte man sich im früheren Klima an den Schanigärten orientieren bzw. an den Wirten: Wenn die ihre Sessel vor den Eingang stellten, musste man ihnen mit der Uhr nur folgen. Aber heuer? Da braucht man die englische Eselsbrücke: „Spring forward, fall back.“ Diese Regel bzw. die Verwirrung, die sie heben will, gilt seit bald hundert Jahren, die Idee ist noch ehrwürdiger: „Erhebt Steuern auf jedes Fenster, das Vorhänge hat, um die Sonne draußen zu halten! Lasst jeden Morgen, sobald die Sonne aufgeht, alle Glocken läuten! Wenn das nicht genügt, lasst in jeder Straße Kanonen feuern, um die Faulpelze zu wecken!“

Interessenkonflikt: Golf vs Theater

So appellierte Benjamin Franklin 1874 in einem Leserbrief an das „Journal of Paris“,den Sommertag zu strecken, man könne durch hellere Abende Kerzen sparen, allein in Paris für „sechsundneunzig Millionen und fünfundsiebzigtausend Livres“. Das war Satire. Ernst wurde es 1905, ein Brite, William Willett, wollte länger Licht für sein Hobby, das Golfspiel. Er brachte den Plan bis ins Parlament, dort wurde er knapp abgelehnt bzw. sie wurde es, die damals ihren Namen bekam die „Daylight Saving Time“, DST. International heißt sie heute noch so.

1905 waren die Gegeninteressen noch stärker – die Theater etwa hätten bei Tageslicht spielen müssen –, und auch das Proletariat ballte die Fäuste um die Uhren. Es sah härtere Ausbeutung drohen und wandelte den Namen leicht ab, in „Daylight Slaving time“. Die DST kam dann doch, am 30.April 1916 schlug die neue Stunde erstmals, in Deutschland, man wollte im Krieg Kohle sparen. Nach dem Krieg gab man die Sommerzeit wieder auf, im nächsten Krieg kam sie wieder. International lief es ähnlich, 1977 war es dann in ganz Europa so weit: Diesmal sollte die Energiekrise gemildert werden, die Opec hatte den Ölhahn zugedreht.

Aber Gewöhnung stellt sich schwer ein, Kühe wollen keine neuen Melkzeiten, und auch Menschen gerät die innere Uhr durcheinander. Aber es ist doch nur eine Stunde? „Das Argument trügt“, erklärt Till Roenneberg (Medizinische Psychologie, München). „Es wäre so, als ob man die ganze Bevölkerung im Frühjahr nach Marokko versetzen würde und im Herbst zurück.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2013)

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