Weit gereiste Riesenknochen

Weit gereiste Riesenknochen
Weit gereiste Riesenknochen(c) Clemens FABRY
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Die Knochen des ersten Elefanten, der je nach Wien kam (1552), wurden zu einem kunstvollen Elefantenstuhl verarbeitet. Die lange Reise des Elefanten wurde von Historikern nun minutiös nachgezeichnet - und seine Überreste fachkundig restauriert.

Elle, Oberarm, Speiche und Schulterblatt – die vor 450 Jahren vollzogene Zusammenfügung dieser vier Knochenteile sind die letzten Zeugnisse des ersten nach Österreich importierten Elefanten. Zusammengefügt zum sogenannten Elefantenstuhl ist das 82 mal 89 mal 55 Zentimeter große Objekt eine der kostbarsten Sammlungsstücke der Kunst- und Wunderkammer im Stift Kremsmünster. Zudem liefert der Elefantenstuhl einen Blick in die österreichische Herrschaftsgeschichte des 16.Jahrhunderts.

Nach fast einjähriger Arbeit hat nun Restauratorin Henriette Wiltschek die schon brüchigen Knochenteile stabilisiert und restauriert. Die Besonderheit des Objekts ist in der Geschichte des Tiers begründet. Am Beginn der Neuzeit waren Elefanten ein äußerst repräsentatives, seltenes und daher nicht allzu oft überreichtes Geschenk der Könige von Portugal, die diese lebendigen Präsente aus ihren außereuropäischen Besitzungen bezogen.

Auch „unser“ Elefant, der aus Indien kam, war ursprünglich im Besitz des portugiesischen Königshauses. Er kam als Geschenk an die spanische Habsburgerlinie und gelangte im Herbst 1551 an den österreichischen Regenten und späteren Kaiser Maximilian II., der 1548 am spanischen Hof seine Cousine Maria geheiratet hatte und drei Jahre in Spanien blieb. Bei seiner Rückkehr nach Österreich war der Elefant mit im Tross. Mit dichterischer Freiheit beschreibt der portugiesische Nobelpreisträger José Saramago dies auf faszinierende Weise in „Die Reise des Elefanten“, dem vorletzten Buch vor seinem Tod 2010.

Detailliert nachgezeichnet wurde der Weg des Elefanten nach Wien vom Wiener Historiker Ferdinand Oppl, bis 2010 Direktor des Wiener Stadt- und Landesarchivs, und der US-Historikerin Annemarie Jordan-Gschwendt. Über Barcelona, Savona, Genua, Trient, Brixen, Innsbruck, Passau und Linz führte die Route Maximilians II. und seiner Gemahlin Maria.


„Elefantenhäuser“ auf dem Weg. Die besondere Attraktivität des Elefanten ist auch noch heute nachvollziehbar, gibt es doch an mehreren Orten dieser Reiseroute noch immer Häuser mit Inschriften, die auf den Elefanten hinweisen. Auch am Wiener Graben stand ein Elefantenhaus, das mit imposantem Elefantenrelief auf einem Kupferstich von Salomon Kleiner zu sehen ist. Das Gebäude wurde 1866 abgerissen.

Die Ankunft in Wien ist in einer lateinischen Inschrift auf dem Elefantenstuhl dokumentiert: „Als der durchlauchtigste Fürst Maximilian König von Böhmen, Erzherzog von Österreich etc. gemeinsam mit seiner königlichen Gemahlin Maria, Tochter Kaiser Karls V., und ihren beiden königlichen Kindern am 7.Mai1552 aus Spanien nach Wien kam, führte er einen indischen Elefanten mit sich“ (Übersetzung von Oppl). Der damals zwölf Jahre alte Elefant, der bei dem groß inszenierten Eintreffen in Wien ungeheures Aufsehen erregte, sollte die Macht des Habsburgers dokumentieren. Das Tier hat allerdings aus „Unachtsamkeit des Pflegers“, so ein weiterer Teil der Inschrift auf dem Elefantenstuhl, nur eineinhalb Jahre gelebt, es starb am 18. Dezember 1553.

Selbst der tote Elefant blieb eine besondere Rarität. Vier Knochenstücke erhielt der damalige Wiener Bürgermeister Sebastian Huetstocker, der mit Maximilian II. freundschaftlich verbunden gewesen sein dürfte. Was mit dem Hauptteil des Skeletts geschehen ist, konnte von den Historikern nicht eruiert werden. Die Haut des Tiers wurde präpariert, ausgestopft und 1572 als Geschenk dem bayerischen Herzog Albrecht übergeben. Es blieb in der Münchner Sammlung, fand aber ein unrühmliches Ende: Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Präparat wegen der Bombenangriffe in ein Kellergewölbe verfrachtet, wo es wegen der starken Feuchtigkeit verschimmelte und schließlich entsorgt wurde.

Somit bleiben die Knochen, die der Wiener Bürgermeister erhalten hatte, die einzigen Zeugnisse des ersten Wiener Elefanten. Huetstocker ließ daraus den kunstvollen Stuhl herstellen, die Knochenteile wurden mit Gravuren reichlich verziert. Von ihm wanderte der Elefantenstuhl über mehrere Stationen in die Kunstsammlung des Stiftes Kremsmünster – und erhielt mittlerweile auch den Namen „Soliman“. In all den Jahrhunderten, vor allem durch die vielen Ortsveränderungen und unterschiedlichen Klimabedingungen, hat der Elefantenstuhl beträchtlichen Schaden genommen.

Die Knochen wiesen Risse und Sprünge auf, vor allem der mehrfache Bruch der rechten vorderen Stütze (des Oberarms) erschien problematisch. Es lagen schon Kittungen aus mehreren Restaurierungsphasen vor, sodass das Objekt insgesamt äußerst instabil war.

Deswegen hat das Stift Kremsmünster das Objekt im Frühjahr 2012 an das Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst (Leitung: Gabriela Krist) geschickt, wo Henriette Wiltschek im Rahmen ihrer Diplomarbeit mit den Untersuchungen begann. Vorerst wurde in einer sechswöchigen Stickstoffbegasung den im Objekt befindlichen Schädlingen der lebensnotwendige Sauerstoff entzogen. Dann gliederte die Restauratorin ihre Arbeit in drei Abschnitte: erstens die Untersuchung des Knochenmaterials auf Festigkeit und Kimaverträglichkeit, zweitens den Test verschiedenster Klebstoffe und drittens die eigentliche Restaurierung. Während die Beobachtung der Materialien im Klimaschrank lief, wurde übrigens der Elefantenstuhl – unterWiltscheks sachkundiger Begleitung – zur Ausstellung „Des Kaisers Kulturhauptstadt – Linz um 1600“ (Mai bis August 2012) ins Schlossmuseum Linz gebracht.

In der ersten Versuchsetappe wurde die Reaktion von sieben unterschiedlichen Knochen auf die Luftfeuchtigkeit überprüft. Nach der Testreihe im Klimaschrank kamen die Knochenpräparate in die Technische Versuchsanstalt Polgarstraße, wo die Belastbarkeit der Knochen gemessen wurde. Im nächsten Schritt konzentrierte sich Wiltschek auf Klebematerialien: Insgesamt sieben Klebstoffe wurden – ebenfalls unter verschiedenen Temperaturbedingungen – getestet, dann entschied sich die Restauratorin für Paraloid B72, ein Acrylharz, das seit den 1960ern in der Restaurierung sowohl als Überzugs- als auch Festigungsmittel bzw. Klebstoff verwendet wird.

Bei einer vorangegangenen, möglicherweise im 20. Jahrhundert vorgenommenen Restaurierung wurde zur Stabilisierung ein Holzstab in den Oberarmknochen eingeleimt, der nun durch einen sechs Millimeter starken Glasfaserstab ersetzt wurde. Bei der Endrestaurierung erwiesen sich die Kittmassen aus den Testreihen für die Größe der erforderlichen Zusammenfügungen als zu dürftig, sodass feinster St. Margarethner Kalksandstein und Hohlglaskugeln beigemengt wurden.

Der Stuhl glänzt nun, die reichlichen Gravuren sind deutlich sichtbar – würde sie die Sitzgelegenheit auch benutzen? Nein, es sei doch ein Schaustück für eine Wunderkammer, sagt Wiltschek. Und die Restauratorin ist eine äußerst zierliche Person.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2013)

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