Boden: Krieg und Frieden unter unseren Füßen

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Boden: Krieg und Frieden unter unseren FüßenAPA
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Viele chemische und biologische Vorgänge im Nährstoffkreislauf des Bodens sind noch immer eine »Blackbox«.

„Ohne Mikroorganismen wäre ein Boden tot, darin könnten auf Dauer keine Pflanzen wachsen“, sagt Joseph Strauss, Pilzgenetiker an der Universität für Bodenkultur. In einem Fingerhut Erde tummeln sich mehr Organismen als Menschen auf der ganzen Welt: Ohne diese Vielfalt an Bakterien, Pilzen, Archaeen und kleinsten Tieren würde der Nährstoffkreislauf stillstehen. Jegliche Biomasse (Blätter, Kompost, tierische Reste etc.) muss von Mikroorganismen zerlegt werden, damit Pflanzen dies nützen können.

„Der Boden ist das chemisch und biologisch komplexeste Gemisch unseres Planeten“, sagt Strauss. In vielen tausenden Kettenreaktionen wird Biomasse zu Makromolekülen und Kleinstmolekülen verarbeitet. Dazu herrscht einerseits im Boden eine Symbiose zwischen Mikroorganismen: Manche Bakterien „füttern“ Pilze – und umgekehrt. Andererseits gibt es auch harte Konkurrenzkämpfe um die Nährstoffe. „Im Boden herrscht so etwas wie ,chemische Kriegsführung‘ zwischen den Organismen, um den eigenen Platz im Ökosystem zu verteidigen.“

Strauss' Team war Teil des FWF-Forschungsnetzwerks „Linking Microbial Diversity and Functions across Scales and Ecosystems“, das 2011 beendet wurde, doch die Forschungen an heimischen Unis und Forschungseinrichtungen laufen weiter. So arbeiten etwa am Universitäts- und Forschungszentrum Tulln viele Arbeitsgruppen der Boku und des Austrian Institutes of Technology (AIT) an Fragestellungen rund um Bioressourcen und Technologien: Boden-, Pflanzen- und Mikrobenforscher vernetzen sich hier, auch Österreichs einziger Spezialforschungsbereich der Agrarforschung ist in Tulln beheimatet (Fusarium-Befall und Entgiftung am Getreide). „Mit 170 Pilzforschern sind wir ein weltweiter Hotspot“, sagt Strauss.


Funktionen erkennen. Die Arbeitsgruppen des Forschungsnetzwerkes untersuchten, welche „Produktionsketten“ im Boden passieren, wenn ein Buchenblatt auf der Erde landet und im Herbst die Zersetzung losgeht. „Als Erstes kommen Pilze, die höchst effiziente Verdauungsenzyme ausscheiden, um Blätterbestandteile aufzuschließen. So entstehen Zuckermoleküle, die der Pilz für sich verwenden will. Doch viele andere Mikroorganismen werden vom Zucker angelockt und wollen ihn für sich gewinnen“, erzählt Strauss. Daher halten die Pilze die Blattverdauuung auf so engstem Raum wie möglich, damit sie den Zucker schneller zurück in ihre Zellen holen, bevor andere Mikroben „angereist“ kommen.

„Der Boden ist noch immer eine große Blackbox. Pilze kämpfen gegen Bakterien, Bakterien gegen Pilze: Es werden Antibiotika abgegeben, um Bakterien zu töten, und Antimykotika, um konkurrierende Pilze fernzuhalten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Forschergruppen der Boku und Uni Wien wollten zeigen, welche Organismen für welche Funktionen zuständig sind“, erklärt Strauss.

Erstens wird DNA analysiert: Das zeigt, welche Organismen im Erde-Laub Gemisch vorkommen. Dann werden sowohl die RNA als auch Proteine bestimmt: So erfährt man, welche Enzyme und Botenstoffe vorhanden sind und kann damit auf Funktionen zurückschließen. Schließlich wird per Stabiler Isotopen-Analyse verfolgt, welche Moleküle von welchen Organismen aufgenommen und in welche Abbauprodukte umgebaut werden.

Es zeigte sich: „Verschwindet die Symbiose von Pilzen und Bäumen (Mykorrhiza), versiegt das Leben im Boden.“ Dies ergaben Labortests bzw. künstlich veränderte Bäume im Wald: Wenn man die Eintrittspforten für die symbiotischen Bodenpilze versperrt bzw. die Bäume ihre Mykorrhiza-Pilze nicht „füttern“, verschwinden nicht nur die Symbionten, sondern auch der Großteil anderer Aktivitäten rund um diesen Baum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2013)

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