Stammzellen: Näher, mein Klon, zu dir?

Stammzellen Naeher mein Klon
Stammzellen Naeher mein Klon(c) REUTERS (HANDOUT)
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Die zu den großen Hoffnungsträgern der Medizin stilisierten embryonalen Stammzellen schienen 2004 da. Es war eine Fälschung. Nun sind sie wirklich da, aber man weiß nicht, ob man sie noch braucht.

Als im Februar 2004 eine Erfolgsmeldung aus einem Labor in Südkorea um die Erde ging, füllten sich die Schlagzeilen mit Jubel und Grusel, und unter vielen Molekularbiologen war das Aufatmen vernehmlich: Woo Suk Hwang war gelungen, wovon seit 1997 viele träumten und was mit reichlich Fanfaren zum größten Hoffnungsträger der modernen Medizin aufgebaut worden war, das Klonen eines Menschen. Bei Fröschen konnte man das schon lange, bei Säugetieren nicht, aber 1997 kam „Dolly“, das Klonschaf. Es war nach dem gleichen Verfahren hergestellt worden, durch Kerntransfer. Dazu wird eine Eizelle entkernt und mit einem neuen Kern ausgestattet, der stammt aus einer Körperzelle eines erwachsenen Tiers. Was dann heranwächst, hat also das Genom dieser Körperzelle, es ist eine Kopie – eine fast komplette, nur die wenigen mitochondrialen Gene stammen von der Eizelle –, und es stellt, wenn es je gelingt, zwei Perspektiven.

Klonen: Therapeutisch vs. reproduktiv

Zum einen könnte man daraus embryonale Stammzellen („ES“) gewinnen, das sind „pluripotente“ Zellen, die sind noch nicht ausdifferenziert, können sich aber zu allen Zelltypen des Körpers entwickeln – und deshalb theoretisch Transplantate für jedes Gewebe liefern. Solche Zellen kennt man wieder seit Langem bei der Maus, 1997 bemerkte man sie auch bei Menschen, und ab da wollte man sie zum „therapeutischen Klonen“ nutzen, das ist das Ziehen von Transplantaten, zunächst kleinen, Zellen für Hirn und Auge etwa – dort läuft der einzige klinische Test des Feldes –, später einmal auch ganze Organe. Gleich ganze Menschen will hingegen das „reproduktive Klonen“, das ist das, das die Angst und den Schrecken eines Wiedergängers weckt.

Und die Hoffnung auf ihn: Um die Jahrtausendwende herum ging auch das propagandistisch los. Gleich zwei Gruppen gingen ans Werk. Die eine gehörte einer Sekte an, die andere rekrutierte sich aus Reproduktionsmedizinern, zu ihr gehörte höchst ironischerweise Karl Illmensee. Er hatte in den 1980er-Jahren mit geklonten Mäusen Aufsehen erregt, aber auch das war eine Fälschung. Der deutsche Forscher fand Zuflucht an der Uni Innsbruck. „Kürzlich haben wir einen geklonten menschlichen Embryo für ein unfruchtbares Paar übertragen“, meldeten Illmensee und sein italienischer Kollege Severino Antinori Mitte 2007 im offiziellen Organ der heimischen Reproduktionsmediziner, dem „Journal für Reproduktionsmedizin“.

Gehört hat man nichts mehr, es ist entweder misslungen oder war eine Fälschung. Mit Sicherheit gefälscht waren die ES von Hwang, und diese Fälschung – vor allem die der Fotos – war eher plump. Offensichtlich hatten höchstrangige Journals und ihre Reviewer nicht genau hingesehen, zu groß war die Erleichterung über den endlich erzielten Erfolg. Als die Ernüchterung kam, trat man einen Schritt zurück und forschte an ES, die man aus der traditionellen Quelle hatte: überzähligen Embryos der Retortenbabys. Aber dazu müssen die Embryos zerstört werden, das bringt ethische Probleme, und für die medizinische Alltagspraxis wäre mit diesen ES ohnehin nichts zu gewinnen: Dort braucht man Transplantate, die genetisch identisch sind mit denen des Empfängers – also aus ihm geklont –, sonst würde das Immunsystem sie abwehren.

Aber als alle Hoffnungen tief gesunken waren, öffnete sich ein Königsweg: 2006 gelang es dem Japaner Shinya Yamanaka, ganz normale Körperzellen von Mäusen so zu verjüngen, dass sie ES sehr ähnlich waren, ein Jahr später war es auch bei Menschen so weit mit den induzierten pluripotenten Stammzellen (ipS). Die sind technisch machbar, und sie stellen keine ethischen Probleme – man kann theoretisch eine Hautzelle eines Transplantat-Empfängers zu ipS verjüngen und aus ihnen des Transplantat ziehen –, ihnen wandte sich die Zunft zu, große ES-Abteilungen schlossen.

Woher die Eizellen nehmen?

Aber in einigen Labors wurde weiter geforscht, vor allem in dem von Shoukhrat Mitalipov (Oregon Health & Science University): Ihm gelang das Klonen und das Ziehen von ES-Zellen 2007 erstmals an einem Primaten: Rhesusaffen. Nun folgte der Mensch (Cell, 15.5.). Aber diesmal ist der Jubel verhalten, denn Mitalipov hat wieder das ethische Problem des Embryozerstörens und auch das der Eizellen: Die müssen „gespendet“ werden. Hwang hatte Mitarbeiterinnen dazu gezwungen, Mitalipov bezahlte 5000 bis 7000 Dollar pro Spenderin, viele fürchten, dass sich ein Markt entwickeln könnte, auf den Arme ihre Eizellen tragen.

Wie auch immer, Mitalipovs Leistung findet die Anerkennung vieler Kollegen, weckt aber auch Erstaunen: „Das überraschendste an dieser Arbeit ist, dass im Zeitalter der ipS überhaupt noch jemand an ES arbeitet“, kommentiert etwa der serbische ipS-Spezialist Miodrag Stojkovic (Nature, 496, S.295). Und das andere Klonen, das reproduktive ganzer Menschen? Mitalipov hat es nicht vor. Er hält es auch für technisch unmöglich. Seit sechs Jahren versucht er es bei Rhesusaffen, vergeblich. Andere halten es auch für unmöglich, denn nach derzeitigem Stand können sich aus ES des Menschen – anders als bei Mäusen – nur fast alle anderen Zelltypen bilden: Ausgerechnet zum zunächst wichtigsten Gewebe können sie nicht werden, zu dem der Plazenta.

Zwei Wege zum Zellquell

Embryonale Stammzellen (ES) sind undifferenzierte, „pluripotente“ Zellen, aus denen sich alle anderen Zelltypen bilden können (und bei manchen Tieren auch ganze Tiere). Man könnte sie für Transplantate nutzen, muss aber Embryos zerstören.

Induzierte pluripotente Stammzellen (ipS) sind ES sehr ähnlich, werden aber dadurch gewonnen, dass man ausgewachsene Körperzellen – etwa Hautzellen – verjüngt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2013)

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