"Wunderstoff" Holz: Wie man ihn effizienter nutzt

Wunderstoff Holz effizienter nutzt
Wunderstoff Holz effizienter nutzt(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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In einer neuen Doktoratsinitiative finanzieren das Wissenschaftsministerium und die Industrieplattform FHP gemeinsam Dissertationsprojekte.

Alpbach liegt mitten in den Alpen. Ein guter Ort also, um darüber zu diskutieren, wie man Ressourcen im „Zukunftsraum Alpen“ nachhaltig nutzen kann. Einer der Redner bei einem Arbeitskreis der heurigen Alpbacher Technologiegespräche ist Alfred Teischinger, Holzforscher an der Universität für Bodenkultur und wissenschaftlicher Leiter des Comet-Kompetenzzentrums Wood K-Plus.

„Holz aus den Alpen hat ganz andere Eigenschaften als Holz aus dem Flachland von Schweden und Finnland“, erläutert Teischinger. In Nordeuropa herrschten über hunderte Kilometer gleiche Boden- und Klimabedingungen, daher haben die riesigen geernteten Holzmengen ähnliche Eigenschaften: Der Werkstoff kann fast so einheitlich genutzt werden wie Stahl. „Doch in den Alpen wächst der eine Baum auf einem Nordhang, der andere auf einem Osthang, der eine wird auf 800 Metern Seehöhe geschlägert, der andere auf 1200 Metern: Die Wuchsbedingungen sind sehr unterschiedlich, trotzdem soll die Produktperformance vorhersehbar sein.“

Teischinger ist einer der drei wissenschaftlichen Betreuer einer neuen Doktoratsinitiative namens DokIn'Holz, in der zehn Dissertationen zum Thema „Holz – Mehrwertstoff mit Zukunft“ gefördert werden. Diese Initiative ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: Zum einen arbeiten drei Universitäten zusammen – neben der Boku auch die TU Graz und die TU Wien. Zum anderen ist die Wirtschaft auf innovative Weise eingebunden: Die Hälfte der Finanzierung kommt von der Kooperationsplattform FHP, zu der sich die heimische Forst-, Holz- und Papierindustrie zusammengeschlossen hat. Die einzelnen Projekte umfassen die gesamte Wertschöpfungskette – von der Forstwirtschaft über den Werkstoff Holz bis hin zur Papierverarbeitung –, um diese besser zu verstehen und planbarer zu machen.

Eine der Dissertationen im DokIn'Holz-Projekt erkundet das Unvorhersehbare des Werkstoffes Holz. „Das Holz aus den Alpen ist weniger homogen als das aus Finnland und Schweden. Die Holzernte im alpinen Gelände ist teurer, ebenso wie die Verarbeitung des weniger homogenen Rohstoffs“, so Teischinger. Das sei eine technologische Herausforderung, die man durch Generierung von neuem Wissen und Innovation kompensieren wolle, um mit Holz wettbewerbsfähig zu sein.


Schwankende Qualität. Im Gegensatz zu Beton oder Stahl wird der Produktionsprozess von Holz im Wald nicht laufend überwacht. „Die Natur synthetisiert diesen Werkstoff, ohne dass wir dabei zusehen.“ Bei der gut überwachbaren Produktion von Beton und Stahl reicht eine kleine Probe, um ganze Chargen zu charakterisieren – bei Holz sagt die Probe eines Baumes nichts über die Eigenschaften der anderen Bäume aus. Im Bauwesen muss daher jedes einzelne Brett hinsichtlich seiner Festigkeit klassifiziert werden – und das klappt nicht hundertprozentig. Daher wird als zusätzliche Sicherheit stets mehr Holz eingesetzt als eigentlich notwendig ist.

Durch ein neues Modell, das nun entwickelt wird, sollen die Steifigkeit und Festigkeit von Bauholz und den Baukomponenten wie Brettschichtholz oder Brettsperrholz exakt berechnet werden können. Und zwar in Abhängigkeit vom Ausgangsmaterial: 3-D-Simulationen zeigen je nach Astanordnungen, Faserneigungen und Jahresringenbreiten, wie fest und steif ein daraus produziertes Brettsperrholz sein wird. „Die Ergebnisse des theoretischen Materialmodells sollen in Sortiernormen für Festigkeitsklassen einfließen“, erläutert Teischinger. Immerhin kann man so nicht nur an die 30Prozent Holz sparen, sondern auch Leim zum Verkleben der einzelnen Brettlamellen oder teure Stahldübel, die die einzelnen Konstruktionsteile miteinander verbinden.

Überhaupt geht es in der DokIn'Holz-Initiative um das Einsparen von Ressourcen und den nachhaltigen Umgang mit Holz. Holz ist zwar eine nachwachsende, aber nicht unbegrenzt zur Verfügung stehende Ressource. „Zudem ist die Rohstoffbereitstellung von Holz ist nicht so planbar wie jene von Rohöl bzw. die Produktion von Eisen, Stahl oder Beton: Nach Stürmen, die hektarweise Wald zerstören, haben wir plötzlich zu viel Holz, dann sinkt der Preis. Keiner weiß, wann er wieder steigt“, sagt Teischinger.


Umgang mit Schadholz. Auch Borkenkäferbefall kann zu erhöhtem Holzschlag führen: Es gibt Jahre, in denen in betroffenen Regionen und Betrieben bis zu 80 Prozent des genutzten Holzes Schadholz ist – und nur ein kleiner Teil geplant geschlägert werden kann, um mit dem nachhaltigen Zuwachs im Einklang zu stehen.

„Preis und Nutzungsmenge von Rundholz sind somit schwer vorhersehbar, aber die Forstbetriebe haben hohe Fixkosten, die gedeckt werden müssen. Zudem sind Lagerung und Konservierung von überschüssigen Holzmengen aufwendig.“

In einer der Dissertationen wird ein Modell entwickelt, das Risiko und Ungewissheit bei der Holzversorgung berechnet. Damit sollen Forstbetriebe ihre Produktion und Logistik besser planen können. Bisher konnte man nur im Nachhinein errechnen, wie ein Schadereignis die Holzmenge und den Holzpreis beeinflusst hatten. Mit dem geplanten Modell soll der Forstwirtschaft eine Planungshilfe gegeben werden, die – bei Sicherung der Rohstoffversorgung – eine Produktionsplanung und Ertragsregelung unter Berücksichtigung von Risiko und Ungewissheit ermöglicht.

Ein weiteres Simulationsmodell konzentriert sich auf Laubholz. Naturnahe Mischwälder nehmen in Österreich und ganz Mitteleuropa zu: Die Forstwirtschaft hat erkannt, dass Mischwälder stabiler gegen Sturm- und Insektenkatastrophen sind als reine Fichtenbestände. „Doch die Holzindustrie und Bauwirtschaft haben sich vom Laubholz weitgehend verabschiedet: Der Brotbaum des Bauwesens ist die Fichte, weil sie bei geringem Gewicht hohe mechanische Leistungen bringt“, so Teischinger. Einst war Laubholz sehr beliebt: So wurden etwa Bahnschwellen im Eisenbahnwesen aus Buchenholz und Eiche gefertigt. „Hochgeschwindigkeitszüge fahren heute aber über schotterlose Bahntrassen aus Beton. Ebenso sind Massenmöbel aus Laubholz wie der berühmte Wiener Kaffeehaussessel weniger gefragt: Metall und Kunststoff wurden weiterentwickelt und haben im Möbelbau Einzug gehalten, massives Laubholz ist nicht mehr Hauptbestandteil von Möbeln.“ Auch bei Parkettböden nimmt die Menge von Laubholz ab – und zwar nicht nur, weil mehr Leute Teppich- und Laminatböden wollen, sondern auch, weil das Parkett dünner wird, also weniger Holz verbraucht.


Anleihen bei Autoindustrie.
Das neue Modell versucht, die Prozesskette für Laubholz abzubilden: Wo müsste man Laubholz einsetzen, wie verarbeiten, um konkurrenzfähig mit Nadelholz und anderen Werkstoffen zu sein? Es orientiert sich an Zuliefermodellen der Autoindustrie: Auch dort werden Parameter der Lagerung und aller Einzelteile vorab simuliert, um die Zulieferkette besser abschätzen zu können. Hier werden Daten der Holzprozesskette in das System gespielt: Wie teuer ist das Laubholzsägewerk im Vergleich zum Nadelholz, welchen Leim und wie viel davon benötigt man für Buche im Vergleich zu Fichte, wo fällt mehr Verschnitt an? „Die vielen Zusammenhänge soll der neue Algorithmus berechnen, um vorab ersichtlich zu machen, welches Holz für die gewünschte Anwendung geeignet ist.“ So spart man sich teure Forschungsprojekte mit Prototypen aus Laub- oder Nadelholz und kann vorab entscheiden, ob Buche, Fichte oder Eiche optimal ist.

Eine weitere Vorabentscheidung für Bauherren ist, wie schalldämpfend ein mehrgeschoßiges Holzhaus sein wird. Wie alle Leichtbauprodukte sind auch Häuser aus Holz anfällig für Geräuschentwicklung. Mithilfe von physikalischen Modellen kann berechnet werden, wie die Verbindungen zwischen Wand- und Deckenelementen in modernen Brettschichtholz- oder Fertigteilhäusern Schall dämpfen oder durchlassen. „Auch hier wollen wir den mühsamen Weg von Versuch und Irrtum abkürzen“, sagt Teischinger.


Spänefreie Zerkleinerung. Sogar völlig neue Holzwerkstoffe sollen in der neuen Initiative entstehen: Zu den bisherigen Zerkleinerungsmethoden wie Hacken und Sägen soll erkundet werden, wie man Holz „spänefrei“ so zerkleinert, dass die natürliche Struktur und Festigkeit des Holzes bestmöglich erhalten bleiben. Das hilft bei der Entwicklung eines Holzwerkstoffes, der bei gleicher Belastbarkeit wesentlich leichter als Vollholz sein soll – im Gegensatz zu heutigen Spanplatten, die deutlich schwerer als Massivholz sind.

Nicht nur der mechanische Aufschluss von Holz wird erforscht, auch der chemische, als Basis für die Zellstoff- und Papierproduktion. Wie kann man Faserverbindungen im Papier stärken, um – einfach gesagt – ein 70-Gramm-Kopierpapier gleich fest wie ein 80-Gramm-Papier bzw. Zementsack-Verpackungen dünner und stabiler zu machen? Wie kann man das Lignin des Holzes besser von den Hemizellulosen und der Zellulose trennen, um „vergilbungsfreies“ Papier herzustellen? Oder wie löst man alle Hemizellulosen aus dem Gemisch, um reine Zellulosefasern für die Textilindustrie bereitzustellen?

All diese Projekte helfen, den waldbasierten Sektor (Forst, Holz, Papier) besser zu verstehen: Der Wald ist für Österreich nicht nur wichtig, weil fast 50 Prozent des Landes damit bedeckt sind, sondern er dient als Rohstoffquelle für eine Schlüsselindustrie in Österreich und hat wichtige Funktionen für Schutz, Wohlfahrt und Erholung. „Ein einzigartiger Wirtschaftssektor“, schwärmt Teischinger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2013)

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