Letztes Massensterben: Leben im Süßwasser verschont

BRITAIN EXHIBITION
BRITAIN EXHIBITIONEPA
  • Drucken

Vor 65 Millionen Jahren verschwanden nicht nur die Saurier, sondern drei Viertel des Lebens auf dem Land und die Hälfte dessen im Meer. Glimpflich kam das in Flüssen und Seen davon.

Als vor 65 Millionen Jahren ein Asteroid in die Erde schlug – bei Chicxulub vor der mexikanischen Halbinsel Yucatan –, trafen die Folgen nicht nur die Dinosaurier. Sondern drei Viertel aller Tiere und Pflanzen des Landes, sie verschwanden. Dem Leben im Meer erging es etwas besser, nur die Hälfte wurde ausgerottet, unter ihnen die, die damals die Ozeane beherrschten, die Ammoniten. (Später füllten Fische die Nische, so wie am Land die Säugetiere bevölkerten, was von den Dinosauriern frei geworden war.)

Am glimpflichsten kamen die davon, die in und am Süßwasser lebten, in Flüssen und Seen und um sie herum, bei ihnen reichen die Schätzungen der Verluste von zehn bis 20 Prozent, von den dortigen fünf Krokodilfamilien überlebten alle, die ebenfalls fünf am Meer starben aus. Und die Amphibien kamen überhaupt nicht zu Schaden. Wie das, und wie ging das letzte Massensterben überhaupt vor sich? Erst kam Hitze, dann kamen Kälte und Finsternis: Unmittelbare Folge des Einschlags („impact“) war eine Feuerwalze, der viel Biomasse zum Opfer fiel. Wie viel, ist umstritten, aber die Pflanzen waren großflächig so zerstört, dass die Nahrungskette kurzfristig ihre Basis verlor.

Erst starben die Kleinen, dann die Großen

Die hätte sich rasch regeneriert, aber dann wurde es kalt („impact winter“), und vor allem wurde es dunkel, der Himmel hing lange – sechs Monate bis zwei Jahre – voll Aschewolken, Fotosynthese war unmöglich, die Pflanzen starben, die Pflanzenfresser starben, die Räuber starben, von allen erst die kleinen, dann die großen mit ihren Reserven.

Das war auch im Meer so, alles, was weniger als 100 Gramm Gewicht bzw. zehn Zentimeter Länge hatte, konnte sich maximal sechs Monate durchhungern, so schätzt Douglas Robertson (Boulder), der das alte Rätsel der unterschiedlichen Sterberaten systematisch durchgearbeitet hat (Journal of Geophysical Research, 24.7.): Zwar konnte die Hitze dem Meer und seinem Leben kaum etwas anhaben, die Kälte auch nicht, aber die Dunkelheit brachte noch größere Probleme als auf dem Land, wo ein Blatt auch noch morgen oder übermorgen gefressen werden kann. Im Meer muss das Phytoplankton dauernd neu produzieren: „Aquatische Ökosysteme hängen, anders als terrestrische, stark vom täglichen Output der Fotosynthese ab“, erklärt Robertson.

Zu diesem Output gehört nicht nur Nahrung, dazu gehört auch Sauerstoff. Der wurde rasch knapp, er wurde nicht mehr produziert und er wurde in großen Mengen verbraucht, weil viel totes Meeresleben verweste.

Das war in den Süßwassersystemen natürlich nicht anders, und die erste Hitze traf sie vermutlich härter als die Ozeane. Aber was dabei starb und verweste, nährte partiell auch: Im Süßwasser ernähren sich viele von zerfallender organischer Substanz; zudem sind Flüsse und Seen oft gegen Temperaturschwankungen abgepuffert, durch Grundwasser, von dem sie (auch) dotiert werden. Und wenn doch Extreme auftreten, ist das Leben im Süßwasser, vor allem im hohem Norden, vorbereitet: Dort herrscht jeden Winter Finsternis, und Sauerstoff kommt auch keiner aus der Luft, wenn alles von Eis überzogen ist. Dann zieht sich das Leben in Ruhephasen zurück. Das konnte es auch, als die Impakt-Finsternis anbrach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.