Gefährliche Keime gesucht

Gefaehrliche Keime gesucht
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In einem neuen Christian-Doppler-Labor werden molekularbiologische Methoden zum Nachweis von Krankheitserregern in Lebensmitteln entwickelt.

Trotz höchster Sorgfalt kann bei der Herstellung von Nahrungsmitteln eine Verunreinigung mit Krankheitserregern nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Insbesondere bei Feinkost, Salaten, mariniertem Fisch oder Rohmilchkäse – diese Produkte werden bei der Herstellung nicht erhitzt – ist das Risiko höher, dass sie mit Keimen wie Listerien oder Salmonellen belastet sind. Werden diese nicht rechtzeitig entdeckt, kommt es zu aufwendigen Rückrufaktionen, die Konsumenten verunsichern und dem Vertrauen in die Produzenten schaden. Die Lebensmittelhersteller stehen vor einem grundsätzlichen Problem: Mit herkömmlichen Methoden dauert es ein paar Tage, bis ein schädlicher Keim in Laborschälchen so weit herangewachsen ist, dass man ihn nachweisen kann. Manchmal ist das Produkt dann schon ausgeliefert, die Information kommt also zu spät.

Neuere molekularbiologische Methoden versprechen Abhilfe: Durch die sogenannte quantitative PCR (Polymerase Chain Reaction; siehe Lexikon) kann man rasch schädliche Keime an ihrer Erbinformation erkennen – man muss nicht wochenlang warten, sondern hat innerhalb eines Arbeitstages ein Ergebnis. Mit qPCR kann nicht nur die Art eines Bakteriums bestimmt werden, es kann auch angegeben werden, wie viele Keime sich in einem Produkt befinden.


Keime haften an Matrix. In der Praxis stößt das aber auf Schwierigkeiten: Die Keime haften nämlich zum Teil an den Lebensmitteln – der „Matrix“ –, ein Nachweis ist daher unsicher. Oder besser gesagt: war bisher unsicher. Denn in den vergangenen Jahren wurde an der Vet-Med-Uni in Wien ein Verfahren entwickelt, mit dem Bakterien direkt in Lebensmitteln nachgewiesen werden können. Der erste Schritt war die Anpassung der qPRC an jene Bakterien, Viren oder Pilze, die für Lebensmittel relevant sind – das geschah in einem vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds WWTF geförderten Projekt. Der zweite Schritt in Richtung Praxis war die Entwicklung von Verfahren, wie Proben von Lebensmitteln gezogen und vorbereitet werden können, um die schädlichen Keime nachweisen zu können; das wurde in dem (noch bis Oktober laufenden) Christian-Doppler-Labor für Molekulare Lebensmittelanalytik unter der Leitung von Martin Wagner getan.

Nun sollen diese Methoden in einem weiteren CD-Labor noch praxistauglicherwerden. „Die analytische Kette wird zu einer diagnostischen Kette ausgeweitet“, erläutert der Molekularbiologe Peter Rossmanith, der das neue CD-Labor für Monitoring mikrobieller Kontamination und eine der beiden Arbeitsgruppen leitet – der zweiten Arbeitsgruppe steht Dagmar Schoder vor.

Konkret: Die Analysenmethode wird in die Gesamtheit aller Arbeitsabläufe in einem Lebensmittelbetrieb eingebunden. Denn alle Bereiche in einem biotechnologischen Produktionsumfeld haben Einfluss darauf, wie sich pathogene Keime ausbreiten bzw. wie gut man diese nachweisen kann. So spielt z. B. die Auswahl der Reinigungsmittel eine entscheidende Rolle, Ähnliches gilt für die Konstruktion von Maschinen und die Materialien, aus denen sie gefertigt werden.

In dem CD-Labor arbeiten die Forscher der Vet-Med-Uni mit einem großen österreichischen Lebensmittelhersteller, mit dem Darmstädter Chemieunternehmen Merck und mit der Schweizer Leu Anlagenbau AG zusammen. Letzteres Unternehmen entwickelt u. a. Käsepflege-Roboter, die bei der Produktion bestimmter Käsetypen (Rotschmierkäse) das arbeitsintensive „Schmieren“ der Käselaibe übernehmen; dabei werden die erwünschten Bakterien- und Pilzkulturen gleichmäßig auf der Rinde verteilt, was die Käsereifung und die Entwicklung von Aroma und Geschmack verbessert.

Bei vielen Arbeitspaketen im CD-Labor spielen sogenannte ionische Flüssigkeiten eine zentrale Rolle. Das sind organische Moleküle, die sich wie Salze verhalten und bei Raumtemperatur flüssig sind (also in geschmolzenem Zustand vorliegen). Im globalen Wettbewerb mit Chemiekonzernen spielt bei diesen Substanzen auch die steirische Firma Proionic mit – mit der die Vet-Med-Forscher kooperieren.

Mit ionischen Flüssigkeiten können beispielsweise Bakterien aus der Lebensmittel-Matrix herausgelöst werden – „bei manchen Lebensmitteln funktioniert das bereits“, so Rossmanith. Die neuartigen Chemikalien könnten in Zukunft vielleicht auch als Basis für Reinigungsmittel dienen, die den Nachweis von schädlichen Keimen nicht beeinträchtigen. „Das Interessante an den ionischen Flüssigkeiten ist, dass man ihre Eigenschaften sehr genau steuern kann“, erläutert der Forscher. Noch sind diese Substanzen aber ziemlich hochpreisig.

Die Forscher haben auch einige Ideen, wie die Qualitätssicherung in der Lebensmittelverarbeitung noch effizienter durchgeführt werden kann: So wird etwa an Zusätzen zu Test-Käselaiben gearbeitet, die die gesamte Produktion durchlaufen und im Falle einer Kontamination mit Listerien und Co. schwarz werden. Eine weitere Idee ist es, den ganzen Betrieb mit „Stickern“ auszustatten – elektrisch geladenen Folien, auf denen Keime, die in der Luft schweben, haften bleiben. „Das würde ein lückenloses Monitoring ermöglichen“, so Rossmanith.


Breite Anwendung. Die Forscher wollen zudem den Anwendungsbereich ihrer Methode ausweiten: Denn nicht nur die Lebensmittelindustrie hat Interesse an der frühzeitigen Entdeckung von Kontaminationen – auch andere Sektoren der Biotechnologie kennen das Problem: So kämpft man z. B. bei der Stammzellenfermentation (für die Medizin) immer wieder mit Infektionen durch Schimmelpilze.

PCR-Revolution

Die Polymerase Chain Reaction (PCR) ermöglicht die gezielte Vervielfältigung von DNA in kurzer Zeit. Erfunden 1983 vom US-Forscher Kary Mullis (Nobelpreis 1993), hat sie die Molekularbiologie revolutioniert und u.a. die Entschlüsselung des menschlichen Genoms ermöglicht.

Die PCR wird auch genutzt, z.B. für einen genetischen Fingerabdruck (Vaterschaftstest), zur Diagnose von Erbkrankheiten oder zum Nachweis bestimmter Arten in Ökosystemen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2013)

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