Wenn Pilze eine Maispflanze unterwerfen

Wenn Pilze eine Maispflanze
Wenn Pilze eine Maispflanze(c) APA (Oliver Berg/Dpa)
  • Drucken

Eine neue Arbeitsgruppe am Gregor-Mendel-Institut untersucht, wie pathogene Pilze es schaffen, den Stoffwechsel einer Pflanze für ihre eigenen Zwecke komplett umzubauen.

Auf der einen Seite herrscht in der Natur ein Krieg um die besten Bedingungen für die Fortpflanzung. Auf der anderen Seite leben viele Organismen auch innigst und einander ergänzend zusammen – etwa Bakterien in unserem Darm (ohne die wir nicht überleben könnten). Das Spektrum des Zusammenlebens verschiedener Organismen ist breit, es reicht von symbiotischen Beziehungen, von der beide Arten profitieren, bis hin zu pathogenen Lebewesen, die ihren Wirt ausnutzen.

Für eine spezielle Art der Beziehung zwischen Pilzen und Pflanzen interessiert sich Armin Djamei, der seit Anfang September am Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien arbeitet. Er erforscht mithilfe eines ERC Starting Grants biotrophe pathogene Pilze – das sind Pilze, die auf Pflanzen leben und den Wirtsstoffwechsel so manipulieren, dass alle Nährstoffe für den Pilz zugänglich werden. „Die Pflanzen werden dabei nicht getötet, sondern sie werden durch die Pilze subtil in ihrer Entwicklung umgesteuert“, erläutert Djamei. Äußerlich erkennt man solche Infektionen durch Geschwüre (Gallen), die größere Mengen Zucker und Aminosäuren enthalten – Maisgallen gelten in Mexiko als Delikatesse.

Was dabei im Inneren der Organismen passiert, ist bislang rätselhaft. Der Jungforscher mit deutschen und iranischen Wurzeln untersucht das in den nächsten fünf Jahren an Maispflanzen sowie dem auf Mais spezialisierten Pilz Ustilago maydis. „Dieses Paar ist in Jahrmillionen ko-evolviert, der Pilz ist extrem gut an seinen Wirt angepasst.“ Ustilago kommuniziert mithilfe bestimmter Proteine (Effektor-Moleküle), von denen bisher mehr als 300 bekannt sind. „Diese sind für die Infektion der Pflanzen sehr wichtig, in einigen Fällen reicht das Fehlen eines einzigen Effektors, um den Pilz seiner Pathogenität zu berauben.“ Die Infektion der Pflanze ist ein recht komplexer Vorgang, denn diese wehrt sich gegen den Angriff der Pilze: Zuerst reagiert Mais u.a. mit einer Verstärkung der Zellwand und der Bildung chemischer Abwehrstoffe, zusätzlich enthält jede Zelle Proteine, die – sobald sie den Eindringling erkennen – die betroffene Zelle in den Tod schicken können.

Der Pilz versucht freilich, die Abwehr auszuhebeln – und hat er es mithilfe der Effektoren geschafft, die Pflanze zu infizieren, dann wird umgehend der Stoffwechsel der Pflanze umgebaut. Welche der Proteine genau dafür verantwortlich sind, ist derzeit unbekannt. „Wir wissen derzeit auch nicht, ob nicht auch andere Moleküle, z.B. spezielle RNA, DNA oder vom Pilz gebildete Hormone eine Rolle spielen.“

Vorerst beschränkt sich der Biologe auf die 300 Effektoren, die vom Pilz ausgeschüttet werden. Die Gene, in denen ihr Aufbau festgeschrieben ist, sind mittlerweile bekannt. Djamei und die Mitarbeiter seiner Gruppe – derzeit drei, im Endausbau etwa zehn Forscher – entwickeln derzeit Screening-Methoden, mit denen ergründet werden soll, an welchen Schaltstellen im Stoffwechsel der Pflanzen sie angreifen. Um noch schneller zu Ergebnissen zu kommen, nutzen die Forscher neben Mais, der ein Jahr für eine Generation braucht, schnellwüchsige Grassorten (Brachypodium), bei denen es ebenfalls biotrophe Pathogene gibt.

Ein langfristiges Ziel ist es, die Infektion und die Manipulation des Stoffwechsels so gut zu verstehen, dass man einen nicht pathogenen Pilz im Labor mit Effektoren ausstatten kann, sodass er pathogen wird. Frei nach dem Motto der synthetischen Biologie: Wenn man etwas (nach-)bauen kann, dann hat man es verstanden. Djamei betont, dass man keine Angst zu haben brauche, dass ein „superschädlicher“ Pilz entstehe: Dies seien reine Laborexperimente, um das eigene Verständnis der Infektionsvorgänge zu testen. Zudem sei Ustilago maydis in der Landwirtschaft kein großes Problem, man könne den Pilz mit herkömmlichen Methoden gut bekämpfen.


Bessere Anti-Pilz-Mittel. Die Forschung ist – wie bei ERC-Projekten üblich – Grundlagenforschung an der Erkenntnisgrenze („Frontier Research“) – wobei bereits mögliche Anwendungen erkennbar sind. Zum einen könnte man die „Waffen“ des Pilzes gezielt als Angriffspunkte für künftige Anti-Pilz-Mittel heranziehen – und ihn dadurch entwaffnen. „In der jetzigen Landwirtschaft töten wir mit Fungiziden alle Pilze, auch jene, die für die Pflanzen nützlich sind“, so Djamei. Mit dem neuen Wissen könnte man vielleicht gezielter gegen Schadpilze wie z.B. Rostpilze oder Mehltau vorgehen. „Das könnte ein Beitrag sein, damit bei der Agrarproduktion weniger Umweltschäden auftreten.“ Eine zweite mögliche Anwendung betrifft die Fähigkeit der Pilze, den Pflanzenstoffwechsel umzustellen: Denkbar ist, mithilfe der Effektor-Moleküle pflanzliche Synthesewege umzuleiten, um wertvolle Rohstoffe wie z.B. bestimmte Aminosäuren in Pflanzenteilen zu erzeugen, die bisher Abfall waren (z.B. das Kraut von Erdäpfeln nach der Ernte der Knollen).

Seiner neuen Arbeitsstätte streut Djamei übrigens Rosen: Der Standort des GMI am Vienna Biocenter (siehe Artikel rechts) brauche keinen Vergleich mit dem Max-Planck-Institut in Marburg, wo er zuvor gearbeitet hat, zu scheuen. „Was hier geboten wird für die Forschung, ist super“, sagt er. Vor allem die Campus Support Facilities (CSF), wo Großgeräte für die Forschung (samt Spezialisten zur Bedienung) konzentriert sind, seien ein echtes Plus: „Man kann sich dadurch auf seine Kernbereiche konzentrieren.“ Djamei hat übrigens schon zuvor einmal in Wien geforscht: Durch Zufall hat es ihn als Dissertanten an die Max F. Perutz Laboratories am Vienna Biocenter verschlagen; damals habe er Wien kennen- und auch lieben gelernt.

Das GMI wurde im Jahr 2000 von der ÖAW gegründet und ist das einzige internationale Zentrum für Grundlagenforschung zur Molekularbiologie von Pflanzen in Österreich. Unter der Leitung von Magnus Nordborg beschäftigen sich rund 100 Forscher in neun Arbeitsgruppen mit Themen wie der Populationsgenetik, dem Wachstum, der genetischen Stabilität oder den Stressreaktionen von Pflanzen.

100 ERC-Grants

Österreich konnte nun den 100. ERC-
Grant für sich verbuchen. Dadurch flossen bis Ende 2012 rund 138 Mio. Euro vom Europäischen Forschungsrat an Grundlagenforscher (die Summe für die heuer vergebenen Grants steht noch nicht fest).

Spitzenreiter in Österreich sind die Universität Wien bzw. die Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die
jeweils 21 ERC-Preisträger beherbergen. Bezogen auf die Größe der Forschungseinrichtungen liegen das IST Austria und das IMP vorn.

Der ERC vergibt seit 2007 Starting Grants (an Jungforscher) und Advanced Grants (an etablierte Forscher); dazu kamen noch Consolidator und Synergy Grants. Die Preise sind an die Person gebunden und können bei einem Institutswechsel mitgenommen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.