Zusammenhang zwischen Hodengröße und Väterlichkeit

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Je kleiner die Hoden eines Vaters sind, umso mehr kümmert er sich um seine Kinder. US-Forscher haben das gezeigt. Sie sehen dahinter zwei Fortpflanzungsstrategien: Eine setzt auf möglichst viele Zeugungen, die andere mehr auf Förderung des bereits gezeugten Nachwuchses.

Im österreichischen Wahlkampf war (bisher) nur einmal von Hoden die Rede: Als Frank Stronach über einen politischen Mitbewerber erklärte, er habe keine. Das mutete uns recht amerikanisch an. Im deutschen Sprachraum ist auch die Hodengröße als Metapher für Mut und/oder Männlichkeit nur selten – im Vergleich zum Spanischen („cojones“) oder zum Englischen, man denke an den AC/DC-Song „Big Balls“, der freilich auf den Rock'n'Roll-Klassiker „Great Balls Of Fire“ anspielt.

Aber ist es nur eine Metapher? Korreliert die Größe der Hoden tatsächlich mit anderen Eigenschaften ihres Trägers? Dazu erscheint nun in den renommierten Proceedings Of The National Academy Of Sciences eine Studie mit dem Titel „Testicular volume is inversely correlated with nurturing-related brain activity in human fathers“. Frei übersetzt: Je größer die Hoden eines Vaters, umso weniger Interesse zeigt er für seine Kinder. Das Thema mag skurril anmuten, doch der Studienleiter, James Rilling von der Emory University in Atlanta, erklärt die Motive so: „Das ist eine wichtige Frage. Denn frühere Studien haben gezeigt, dass Kinder mit engagierteren Vätern sozial, psychisch und bildungsmäßig besser abschneiden.“ So frage sich: Warum investieren manche Männer mehr Zeit und Energie in ihre Kinder als andere?

Seit Längerem bekannt ist, dass höhere Testosteronspiegel mit geringerem väterlichen Engagement korrelieren, aber auch mit höherer Neigung zu Scheidung und Untreue und aggressivem Verhalten gegenüber den Kindern. Die Biologen erklären das trocken als Balance zwischen zwei Fortpflanzungsstrategien: einer, die in möglichst viele Zeugungen investiert („mating strategy“) und einer, die darauf setzt, die bereits gezeugten Kinder so zu unterstützen, dass sie viel Erfolg im Leben haben („parenting strategy“). Die zweite Strategie ist – darwinistisch gesehen – insofern sinnvoll, als im Leben erfolgreiche Kinder selbst eher mehr Kinder zeugen resp. gebären, was den Fortpflanzungserfolg des Großvaters erhöht.

Natürlich hängt die Testosteronproduktion von der Hodengröße ab, diese beeinflusst aber noch mehr die Menge und Qualität der Spermien – und damit die Aussicht, erfolgreich auf die „mating strategy“ zu setzen. Also baten Rilling und Mitarbeiter 70 Väter von ein- bis zweijährigen Kindern in ihr Labor, um sich Tests zu unterziehen.

Steht er auf, wenn das Baby schreit?

Erstens einer Messung der Hodengröße. Zweitens einer Befragung, wie sie sich denn um ihre Kinder kümmern, ob sie sie wickeln und baden, ob sie nachts aufstehen, wenn das Baby schreit. (Um die Aussagen zu objektivieren, wurden auch die Mütter befragt.)

Drittens wurden den Testpersonen Bilder ihrer eigenen und fremder Kinder mit fröhlichem, traurigem und neutralem Gesichtsausdruck vorgelegt und dabei mit Magnetresonanzspektroskopie die Aktivität in einschlägigen Hirnregionen gemessen, unter anderem in einem Areal, das zum Belohnungszentrum gehört. „Bei den Männern mit kleineren Hoden war diese Region, wenn sie Fotos ihres eigenen Kindes betrachteten, aktiver“, erklärt einer der Forscher.

Wie stets bei solchen Korrelationen fragt sich: In welche Richtung geht die Kausalität? Was ist Ursache, was Wirkung? Oder gehen beide Phänomene auf eine gemeinsame Ursache zurück? Naheliegender scheint hier, dass die Hodengröße die Testosteronproduktion und damit „typisch männliche“ Eigenschaften wie Mangel an Empathie beeinflusst. Aber, so Rilling, „es ist auch denkbar, dass die Hoden schrumpfen, wenn Männer in der Pflege aktiv sind. Wir wissen ja auch, dass die Testosteronspiegel sinken, wenn Männer engagierte Väter werden.“

Für den Fall, dass junge Männer diese Aussichten so unerfreulich finden, dass sie mit ihrer Vaterrolle hadern, zwei relativierende Anmerkungen: Erstens ist dieser Effekt gewiss reversibel. Und zweitens mag Testosteron ein gutes Image haben. Aber es steigert nicht nur die Risikofreudigkeit, sondern schwächt auch das Immunsystem. Das ist einer der wesentlichen Gründe dafür, dass Männer kürzer leben als Frauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2013)

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