Die Bewegung verrät die Persönlichkeit

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Symbolbild(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Ein Forschungsprojekt untersucht die Wirkung der Körpersprache auf die Meinungsbildung beim Publikum.

Die Körperbewegungen der Politiker – Kopfhaltung, Mimik, Armbewegungen oder Schwingungen des Körpers – sind bereits die entscheidende Botschaft. In der Schweiz wurde in einem Testlauf vor einem Wahltag das Erscheinungsbild zweier Kandidaten bewertet und die Einschätzung auf ein mögliches Wahlergebnis umgelegt. Das Überraschende: Das Wahlergebnis entsprach tatsächlich ziemlich genau dieser Einschätzung.

Markus Koppensteiner vom Department für Anthropologie der Universität Wien, der den Schweizer Test erwähnt, geht einen Schritt weiter: In einem vom Wissenschaftsfonds (FWF) unterstützten Projekt geht es ihm um die Identifizierung von Bewegungsmustern, die für die nachfolgende Beurteilung wesentlich sind. Dabei werden vorerst andere Einflüsse – etwa physische Erscheinung, Kleidung, Stimme oder Inhalt der Rede – ausgeblendet. Koppensteiner versieht den Oberkörper, den man meistens hinter einem Rednerpult oder in einem TV-Ausschnitt wahrnimmt, mit mehreren Punkten: Am Kopf erhalten die Stirn, die Ohren und das Kinn jeweils einen Punkt, weiters die rechte und linke Schulter sowie die Hände und die Mitte des Körpers im Bereich des Nabels. Die markierten Punkte ergeben Strichmännchen.

Strichfiguren. Studienobjekte waren Videoaufnahmen von 60 deutschen Politikern, die hierzulande nicht bekannt sind. Bekannte Politiker würden gewisse Sympathien oder Antipathien auslösen. Sofort wurde deutlich, ob der Bewegungsfluss eckig, rund oder weich ist. Koppensteiner filtert drei Rednertypen heraus: erstens regelrechte Naturtalente, zweitens jene, die noch einen gewissen Schliff benötigen, und drittens Personen, die man als untrainierbar bezeichnen kann.

Das Gesamtbild jeder Person wurde schließlich durch vier verschiedene Eindrücke gewonnen: durch die Strichfigur (= Bewegung), ein Standbild (= Aussehen), die Tonspur (= Stimme) und schließlich den Eindruck, den man von einem Video ohne Tonspur bekommt. Dabei kommt es auch auf das Publikum an: Bei Zuhörern, die an Inhalten interessiert sind, steht die Stimme und das Gesagte im Vordergrund. Wem es um die Person geht, orientieren sie sich am Aussehen und den Bewegungen.

Bei einer TV-Nachrichtensendung über einen oder mehrere Politiker ist das Gesagte indes fast nebensächlich: Zu kurz ist die Zeit für eine gründliche Rezeption des Inhalts – der Eindruck wird durch nichtsprachliche Signale vermittelt.
Über professionelle Trainer will Koppensteiner nicht urteilen. Man erkenne aber sofort, wenn jemand auf bestimmte Gesten hingetrimmt wurde. Dann passen die Bewegungen nicht zur Stimme. „Die Zuschauer haben ein Sensorium, ob etwas stimmt oder nicht“, so der Forscher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2013)

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