USA: Patent auf Designerbabys

Patent Designerbabys
Patent Designerbabys(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Eine Firma für Genanalysen will den „Phänotyp hypothetischen Nachwuchses“ berechnen, also die Eigenschaften von Kindern, die erst gezeugt werden sollen.

„Ich bevorzuge ein Kind mit (o) der längsten erwartbaren Lebensdauer, (o) den geringsten über die Lebensdauer erwartbaren Gesundheitskosten, (o) den geringsten über die Lebensdauer erwartbaren Aufenthaltszeiten im Krankenhaus.“ Wer diese Alternativen auf dem Wunschzettel vor sich sieht, muss nur noch wählen und ankreuzen – und natürlich bezahlen –, und schon machen sich die Computer von „23andme“ ans Rechnen.

23andme hat den Namen von unseren 23 Chromosomen und ist eine Firma im Geschäft mit Genanalysen, nach Eigendefinition „the leading health and ancestry DNA service“. Und das Angebot, über Lebensdauer und Gesundheit eines Menschen zu entscheiden, der noch gar nicht existiert – noch nicht einmal gezeugt ist –, richtet sich an Menschen, die ihren Kinderwunsch nicht ohne Spenden von Samen- bzw. Eizellen erfüllen können.

Die sind in Banken eingelagert, oft gibt es auch Informationen über die Spender, aber eine fehlt, die über die Gene. Die will 23andme anzapfen, in aller derzeit möglichen Breite: Der Wunschzettel beginnt damit, ob man ein Kind mit geringem/hohem Risiko für Darmkrebs oder Makuladegeneration bevorzugt, dann folgen Fragen, ob es Alkohol und Milch vertragen soll, ob es ein guter Sprinter werden soll oder besser für die Langstrecke, selbstredend sind Haar- und Augenfarbe dabei, Körpergröße auch, kurz alles, was die Genetik derzeit an Wissen in petto hat.

Gen- statt Handlesens

Aber es geht auch um Leiden – etwa des Herzens –, bei denen der Einfluss der Gene allenfalls statistisch für Populationen geschätzt werden kann, nicht mit Gewissheit für Individuen. Das alles steht – unter dem Titel „Gamete Donor Selection based on genetic Calculations“ – in einem Patent, das in den USA am 24. 9. erteilt wurde (US 8,543,339), im Kern geht es um den „Phänotyp des hypothetischen Nachwuchses“. Zu seiner Bestimmung hat 23andme Algorithmen entwickelt, in die Geninformationen von Empfänger und Spender von Ei- und Samenzellen eingehen, es ist eine Hightech-Kristallkugel oder eben ein Gen- statt eines Handlesens (Garantien gibt es explizit nicht, nur Wahrscheinlichkeiten).

Und nicht allen gefällt es: „Eine solche Auswahl von Kindern ist ethisch enorm umstritten“, urteilen Bioethiker und Patentanwälte um Sigrid Sterckx (Gent) in Genetics in Medicine (3. 10.), das Journal gehört zu Nature, dem Flaggschiff der Wissenschaftspublizistik. Da denken eben nun auch Patentanwälte nach: Im Patentgesetz der USA gibt es keine „Sperrmoral“ – in Europa gibt es sie, nichts darf gegen die „guten Sitten“ verstoßen –, aber durch eine Hintertür kann Ethik hinein, bei den Anwendungen. Diesen Weg nutzte etwa Gentechnikkritiker Jeremy Rifkin 1997: Er beanspruchte ein Patent auf Mensch/Tier-Mischungen, er wollte damit andere Patente darauf verhindern, das Patentamt wies es unter Hinweis auf die „guten Sitten“ zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2013)

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