Lisi, das innovativste Solarhaus der Welt

Solar Decathlon
Solar Decathlon(c) APA/GREGOR PILS (GREGOR PILS)
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Österreichs Beitrag zum Solar Decathlon wurde als der beste bewertet: Platz eins für „Lisi“ bei der „Weltmeisterschaft“ für Ökobauten.

Es ist ein ziemlich ungewöhnlicher Anblick, wenn man über den Orange County Great Park in Irvine (Kalifornien) spaziert: Da steht z. B. ein Haus, das aus zwei weißen Quadern besteht, die auf Schienen voneinander wegbewegt werden können, sodass dazwischen ein Innenhof entsteht. Oder ein Holzgebäude, das einer futuristisch umgeformten Ostblock-Datscha ähnelt. Oder ein Haus, das mit der Optik von Strohballen oder windschiefen Bretterverschlägen spielt. Eines der 19 Häuser hebt sich dank klarer Linien und edler Proportionen stark von den anderen ab – und vor ihm steht immer die längste Schlange: Es ist der österreichische Beitrag zum Solar Decathlon, einer Art Weltmeisterschaft für innovative Solarhäuser, die das US-Ministerium für Energie alle zwei Jahre ausschreibt.

Das Haus nennt sich Lisi (Living inspired by sustainable innovation) und wurde von einem Studententeam – 20 von der TU Wien, vier von der FH Salzburg, fünf von der FH St. Pölten – unter der Leitung von Karin Stieldorf (TU Wien) designt, geplant, gebaut und nun fast zwei Wochen bei dem Wettbewerb in den USA betrieben.
Bei dem Forscherwettstreit gibt es Punkte in zehn Kategorien: von Komfort (das Haus muss immer 22,4 bis 24,4 Grad haben) über die Funktionsfähigkeit von Haustechnik und Home Entertainment (die bei zwei Dinner-Partys und einer Movie-Night überprüft wurde) bis hin zum Engineering (Effizienz und Funktionalität), der Präsentation oder der Markttauglichkeit.

Zwei Quader

Lisi besteht aus zwei Quadern, in denen sich Schlafzimmer, Badezimmer, Stauräume und eine Kochnische befinden; dazwischen befindet sich ein großer Wohnraum. Davor und dahinter liegen noch zwei Terrassen mit Glasschiebetüren, die sich vollständig öffnen lassen. Zur Beschattung – oder wenn man sich zurückziehen will – gibt es rundherum große weiße Vorhänge. Das Haus besteht fast ausschließlich aus Holz – aus neun verschiedenen Arten: Böden aus Eiche, Decke aus Weißtanne, Wände aus Thermoesche, Dämmung mit Zellstofffasern, Sessel aus gepresster Rinde etc. Es musste aber auch Metall eingesetzt werden – „um die Erdbebensicherheit für Kalifornien zu gewährleisten“, erläutert Stieldorf.

Das Haus ist als Plus-Energie-Haus konzipiert, es produziert also mehr Energie, als es verbraucht. Anders als viele Gebäude der US-Konkurrenten ist Lisi gut wärmegedämmt. Die nötige Energie kommt aus einer Solaranlage und einer Luftwärmepumpe. Geheizt bzw. gekühlt wird über einen „doppelten Distanzboden“: Zum einen wird warmes bzw. kaltes Wasser durch Rohrschlangen im Boden verteilt. Zum anderen strömt temperierte Luft durch den Boden und wird unmittelbar bei den großen Schiebetüren ausgeblasen: Dadurch entsteht vor den Scheiben ein Luftvorhang, im Raum zieht es nicht, es entsteht ein behagliches Raumklima. Eingebaut sind zudem viele nette Details: etwa ein Bio-Kühlschrank, bei dem verdampfendes Wasser (ohne künstliche Kühlung) dafür sorgt, dass Obst und Gemüse frisch bleiben.
Lisi kam aber nicht nur beim Publikum gut an. In den täglich veröffentlichten Zwischenwertungen lag das Wiener Haus meist zwischen Platz vier und sieben. In der Kategorie „market appeal“ (Markttauglichkeit) gab es überraschend einen zweiten Platz. „Damit hatten wir nicht gerechnet, weil unser Gebäude eines der teureren beim Solar Decathlon ist“, so Stieldorf. Lisi wurde nämlich nicht nur für das milde Klima Kaliforniens konzipiert, sondern es soll auch im österreichischen Winter funktionieren. Am vorletzten Tag setzte sich Lisi durch den überlegenen Sieg in der Disziplin „Kommunikation“ sogar an die Spitze der Wertung. In der Endabrechnung sind die Österreicher gestern zum „Weltmeister“ gekürt worden: Platz eins. Wie gut sich Europa schlug, zeigt, dass das Prager Team Las Vegas auf Platz drei landete.

Das österreichische Team bekam auch schon einige Kaufangebote. Das Haus ist aber unverkäuflich, es wird nach dem Bewerb wieder abgebaut und in Österreich öffentlichkeitswirksam ausgestellt: als Vorbild für weitere Öko-Ideen – und auch als Original, das die Herstellerfirmen in Bälde in Serie produzieren wollen.  ?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2013)

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