Sozial kompetente Affen

Sozial kompetente Affen
Sozial kompetente Affen(c) EPA (GERT JANSSEN)
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Bei jungen Bonobos gilt: Je besser sie ihre eigenen Emotionen im Griff haben, umso mehr Mitgefühl zeigen sie. Beides fällt Affen, die ihre Mutter verloren haben, schwerer.

Die Gefühle von Tieren waren lange in der Wissenschaft tabu“, sagt der namhafte Affenforscher Frans de Waal – im Zusammenhang mit einer Arbeit, die die Gefühle von Tieren ziemlich ernst nimmt. Und zwar von Tieren, die uns sehr nahe sind: Bonobos, das sind die Zwergschimpansen, die zierlicher, friedlicher, sexuell aktiver, zärtlicher und kooperativer als die Schimpansen sind, die Love-and-peace-Typen unter den Menschenaffen sozusagen. Ihre soziale Haltung drückt sich auch dadurch aus, dass sie einander trösten, durch Küssen, Umarmen, Streicheln.
Sie leben vor allem im Kongo, in tropischen Regenwäldern. Und wie Schimpansen und andere Menschenaffen sind sie Objekte der Jagd nach „bushmeat“. Oft bleiben, nachdem eine Mutter erlegt worden ist, die Jungen zurück. Wenn sie Glück haben, kommen sie in ein Tierheim in der Nähe von Kinshasa, wo Frans de Waal und seine Kollegen forschen. Dort nehmen sich menschliche Ersatzmütter der kleinen Bonobos an, die natürlich dennoch traumatisiert sind. „Im Vergleich zu Gleichaltrigen, die von ihren eigenen Müttern aufgezogen wurden, haben sie Probleme, mit emotionaler Erregung fertigzuwerden“, sagt Zanna Clay, die gemeinsam mit de Waal gearbeitet hat. Die Waisen brauchen länger, um sich von Stresssituationen, etwa einer Rauferei, zu erholen: „Sie sind sehr aufgeregt, schreien minutenlang.“

Große Ähnlichkeit mit Menschen


Bei Menschen ist mangelhafte Kontrolle über die eigenen Emotionen korreliert mit fehlender Empathie für andere: Das wissen wir aus Erfahrung, das hat die Verhaltensforschung bestätigt. Clay und de Waal fragten sich, ob das bei Bonobos wohl genauso sei. Mithilfe von Videoaufnahmen untersuchten sie das Verhalten der Affen nach Stresserlebnissen – und fanden: Junge Bonobos, die von der eigenen Mutter aufgezogen wurden, leiden nicht nur unter eigenem Stress weniger als verwaiste Kollegen. (Das sieht man u. a. daran, dass sie sich seltener selbst kratzen.) Sie trösten auch offensichtlich gestresste Artgenossen dreimal so häufig. Sie haben dreimal so viele Freunde, sie spielen doppelt so viel mit anderen. Auch beim Vergleich von verwaisten Bonobos untereinander gilt jedenfalls: Es besteht eine deutliche Korrelation zwischen der Kontrolle der eigenen Emotionen und der Fähigkeit, auf Emotionen von anderen einzugehen (Pnas, online 14. 10.).

Interessant ist, dass bei Bonobos die Jungen signifikant empathischer sind als die Erwachsenen; das ist bei Menschen nicht so. Vielleicht sind daran „kognitive Filter“, schuld, die erst bei erwachsenen Affen aktiv sind, meinen Clay und de Waal, die übrigens keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern fanden. Sie betonen auch, dass auch die verwaisten Bonobos sehr wohl – freilich in geringerem Ausmaß – am Sozialleben teilnehmen. Manchen gelingt es sogar, als Erwachsene selbst erfolgreich Kinder aufzuziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2013)

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