Mond: Zwei Gesichter mit zweierlei Narben

Mond Zwei Gesichter zweierlei
Mond Zwei Gesichter zweierlei(c)
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Die ferne Seite des Nachbarn sieht in vieler Hinsicht anders aus als die uns zugewandte, auch die Einschlagskrater haben andere Größen. Dieses Rätsel ist geklärt, das der zwei Seiten bleibt, und das des Ursprungs ist tiefer geworden.

Nein, der Mond hat keine dunkle Seite, nur eine ferne, die wir von der Erde aus nie sehen, weil der Begleiter sie ständig von uns abwendet. Um so größer war die Überraschung, als die sowjetische „Lunik 3“  1959 erste Bilder von der anderen Seite schickte: Dort sieht der Mond ganz anders aus, er hat Gebirge. Auf „unserer“ Seite hat er riesige basaltgefüllte Senken und Tiefebenen, „Maria“, man hielt sie lange für Meere. Auch die Geologie ist völlig anders, die nahe Seite ist geprägt von Vulkanismus, die ferne nicht.
Immerhin, in einer Hinsicht sehen beide doch ähnlich aus, sie sind übersät mit Einschlagskratern aus der Zeit des „late heavy bombardement“ vor 4,1 Milliarden Jahren, damals waren viele Asteroiden unterwegs, und sie waren, wenn man der nahen Seite des Mondes glaubt, groß. Aber beim näheren Blick sind auch die Krater verschieden, die auf der fernen Seite sind kleiner. Das war lange umstritten, die Größe der Mondkrater ist schwer abschätzbar, sie sind teilweise verfüllt, ihre optischen Grenzen verschwimmen. Deshalb hat Katarina Miljković (Paris) einen neuen Weg eingeschlagen, sie hat die Größe der Krater aus der Dicke der Mondkruste berechnet. (Man kennt sie von Gravitationsmessungen der Nasa-Sonde Grail, „Gravity Recovery and Interior Laboratory.)

Frühgeschichte muss überdacht werden


Damit kann Miljković den alten Streit entscheiden: Die Krater auf der nahen Seite des Mondes sind viel größer (Science, 342, S. 725). Warum? Weil das Mondgestein auf dieser Seite durch die vulkanische Aktivität wärmer war und sich die Energie von einschlagenden Himmelskörpern deshalb weiter in die Fläche ausbreiten konnte, auf der fernen Seite ging sie in die Tiefe. Das heißt auch, dass die Geschichte des „late heavy bombardement“ überdacht werden muss: Bisher stützen sich die Schätzung der Größe der Asteroiden auf Beobachtungen der Krater der nahen Seite des Monds. Aber deren Größe täuscht – nach oben –, Miljkovic schlägt vor, sich künftig auf die Krater auf der anderen Seite zu konzentrieren.
Immerhin, die kennt man jetzt. Der Mond insgesamt hingegen wird immer rätselhafter. Zum einen weiß man nicht, wo er herkommt, es gibt drei Hypothesen: Die eine geht davon aus, der Mond sei irgendwo aus der Ferne gekommen und von der Erde „eingefangen“ worden; aber das kann nicht sein, dazu sind der Mond und die Erde einander chemisch zu ähnlich. Die zweite stammt von Darwins Sohn, dem Physiker George: Er vermutete, die frühe Erde habe sich so rasch gedreht, dass sie den Mond aus sich herausgeschleudert habe; aber das kann auch nicht sein, es gibt keinen bekannten Mechanismus, mit dem die Erde sich auf ihre heutige Rotation hätte einbremsen können.

Herkunft wird immer unklarer

Also blieb die dritte Hypothese, die vom ganz großen Einschlag: Demnach raste vor etwa 4,5 Milliarden Jahren ein marsgroßer Asteroid – „Theia“ – in die Erde, aus dem pulverisierten Material beider bildete sich dann der Mond. Diese Idee kam 1975, sie setzte sich durch und wurde verfeinert, und sie galt bis  September 2013. Da hielt die Royal Society in London ihre erste Sitzung seit 15 Jahren über den Mond ab, von vielen Seiten kamen Zweifel am „Theia“-Einschlag, sie stützen sich vor allem darauf, dass der Mond und die Erde einander chemisch so ähnlich sind, bis in die Verteilung der Isotopen. Ein Einschlag hätte aber nicht alles Material – das aus der Erde und das des Impaktors – gleichmäßig verteilt bzw. durchmischt. Sondern der Mond hätte sich überwiegend aus Material des Impaktors gebildet (Science, 342, S. 183).
Nun sucht man nach Hilfskonstruktionen. Aber selbst wenn man die Impakt-Hypothese retten kann, ist immer noch nicht geklärt, warum der Mond zwei so verschiedene Gesichter hat. Wieder gibt es nur Hypothesen, nein, es gibt nur eine, sie stammt von Eric Asphaug (UC Santa Cruz): Demnach hat Theia nicht nur einen Mond aus der Erde geschlagen, den uns vertrauten mit seinen 3500 Kilometern Durchmesser, sondern noch einen zweiten, kleineren mit 1200 Kilometern (Nature, 476, S. 69). Der saß lange an einem Lagrange'schen Punkt – da heben die Gravitationskräfte zweier Himmelskörper einander auf – zwischen Erde und Mond. Aber unser Mond entfernt sich langsam von der Erde, der Lagrange'sche Punkt verlor seine Macht, der kleinere Mond stürzte auf den größeren, auf seine ferne Seite, er stürzte sanft, lagerte sich eher an, daher die Gebirge.

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